Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
in die Hand, und sie benachrichtigen natürlich die Leute: Bitte bewegt euch nicht raus. Das Interessante ist: wenn Taliban oder Al Kaida in Kabul-Stadt ihre Leute verstecken und startbereit sind, benachrichtigen sie meistens selbst die Geheimdienste oder die Stadt oder die UN. »Wir greifen euch in den nächsten 48 Stunden an.«
Gott sei Dank sind die Sicherheitsleute mittlerweile so erfahren und so gut ausgebildet, dass die Attentäter tatsächlich – meistens vor dem Attentat – gestellt werden können. Ich habe dir vorhin Gebäude im Stadtteil Salim Karwan gezeigt. Bevor du hier in Kabul ankamst, vor fünf, sechs Tagen, hat man dort acht Selbstmordattentäter mit militärischen Waffen und Sprengstoff, die sozusagen startbereit waren, aufgespürt. Gott sei Dank. Dies passiert auch mithilfe der Bevölkerung. Man versucht, die Bevölkerung hier zu informieren, sodass die Leute tatsächlich anrufen, sich am ganzen Geschehen zu beteiligen. Denn das ganze Volk leidet darunter. Das ist grausam. Du bist in irgendeinem Stadtteil, und auf einmal gibt es eine Explosion. Dann hörst du die ersten zwei Minuten gar nichts mehr und guckst erst mal an deinem eigenen Körper herab, was passiert ist, ob dir was passiert ist. Du stellst fest, dass dir nichts passiert ist, aber du bist taub. Und dann bekommst du natürlich mit, wie Menschen schreien nach so einer Explosion, dass Menschen verletzt wurden.
Das Schlimme ist eigentlich, dass du nichts dagegen machen kannst. Wie kannst du dagegen kämpfen?
Ein Mensch, der so radikal glaubt, glaubt nach so einem Attentat ins Paradies zu kommen. Er denkt, die Menschen, die er mit sich in den Tod reißt, liegen ihm im Paradies zu Füßen und bedanken sich …
KK: Läuft das über Gehirnwäsche? Werden die vorbereitet über Jahre?
Bahram: Ja! Ja! Das Schlimme daran ist diese Madras-Schule, die in Pakistan im Krieg gegen die Sowjets und die Amerikaner etabliert wurde. Man hat Tausende afghanische und auch pakistanische Kinder in diese Koranschulen geschickt, in denen sie eigentlich gar nicht richtig im Koran unterrichtet wurden. Da wurde einfach auswendig gelernt, und jeden Tag predigte ein radikaler Mullah mehrere Stunden darüber, wie man gegen die Ungläubigen kämpft.
In dem Moment, in dem man beginnt, gegen Ungläubige zu kämpfen, ist man automatisch auf dem Weg ins Paradies. Diese jungen Menschen sind dann eines Tages 20, vielleicht 25 Jahre alt.
Kannst du dir das vorstellen, dass dir jahrelang gepredigt wird, dass du diesen Weg gehen kannst, durch den du glücklich wirst … Natürlich suchen sie dann danach und fragen sich: Wie schaffe ich es, ins Paradies zu kommen?
Dann kommt der Mullah und sagt: die Ungläubigen sind jetzt in Afghanistan und töten die Menschen, sie durchsuchen nachts ihre Häuser, töten muslimische Frauen und ihre Kinder … jetzt ist der Zeitpunkt. So kommt es zu diesen Attentaten.
KK: Was sind die Ziele?
Bahram: Das Ziel dieser Menschen ist das Paradies.
KK: Und das konkrete Ziel? Wenn der Taliban oder der Sprengstoffattentäter in Kabul ist, was ist das Ziel? Möglichst viele Menschen?
Bahram: Ja, viele Menschen. Meistens ausländische Autos, ausländisches Militär, aber auch afghanisches Militär. Das ist sehr interessant: In dem Moment, in dem die Verantwortlichen die Täter bei sich einquartieren, befinden sie sich selbst sozusagen an einem sicheren Ort, von dem aus sie selbst bestimmen, wann ihre Attentäter rausgehen.
Denen ist es so was von egal, ob diese Attentäter sofort sterben oder erst nach einer Weile des Kampfes. Hauptsache die Menschen hier, die NATO, Regierungsbeamte oder das Militär werden so dermaßen in Schrecken versetzt, dass sie sagen können: Wir haben unser Ziel erreicht, wir kämpfen unseren Dschihad weiter gegen die Ungläubigen. Das Ziel ist nichts anderes, als Menschen zu verschrecken und die NATO in eine Zwickmühle zu drängen.
KK: Reden ist Silber. Taten sind Gold?
Bahram: Reden? Wie kann man überhaupt mit diesen Menschen reden? Gibt es überhaupt Hoffnung, solche radikalen Köpfe auf menschliche Art und Weise zu besänftigen, sodass sie einfach reden? Was will man ihnen sagen? Und wie? Wollt ihr an die Macht? Es gibt Demokratie, dann lasst euch einfach wählen. Vielleicht gibt es genug radikale Menschen, die euch wählen. Und dann akzeptieren wir euch. Ich persönlich als afghanischer Staatsbürger müsste es akzeptieren, wenn ein Taliban kandidieren würde und viele Wähler hätte. Aber du kannst
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