Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
wir natürlich ernst. Das ist wichtig. Ich hab sehr viel gesehen in diesen letzten acht Jahren. Wie viele Attentäter, Bomben, die hochgegangen sind … und jedes Mal habe ich gedacht: Ich habe Glück gehabt. Aber man sollte nicht auf diesem Glück reiten.
KK: Gut, wir sitzen jetzt hier im Hinterhof des Hotels, harren der Dinge … theoretisch könnte es jetzt sein, dass der Nachbar ein Sprengstoffattentäter ist, der jetzt gerade losgeht …
Bahram: Du kannst dir das von weit weg gar nicht vorstellen … Statistisch gesehen werden 80 Prozent der Attentäter durch die Staatssicherheit und die Polizei vor einem Attentat gefasst. 80 Prozent! Und trotzdem passiert hier fast jeden Monat etwas. Aber Gott sei Dank haben sich afghanische Sicherheitsbeamte und Polizisten darauf spezialisiert, spezialisieren müssen, weil sie ja ständig damit konfrontiert sind.
Sie haben immer mehr Erfahrung damit, und das beruhigt einfach. Ich hoffe, dass ab 2014 die Menschen hier ein Stück mehr Ruhe finden. Ich glaube, die Afghanen sind nicht traurig, wenn ab 2014 die Amerikaner, die NATO rausgehen …
Kabul-City, nach der Ausgangssperre
KK: Das ist so, oder?
Bahram: Ja. Jetzt hilft es nicht mehr. Vielleicht half es am Anfang. 2001 sind sie gekommen … ich hätte vielleicht zwei, drei Jahre sinnvoll gefunden und dann Experten, Ausbilder, Lehrer usw. hiergelassen. Militär nicht, die Afghanen haben selbst 30 Jahre Krieg gehabt.
KK: Das ist doch eine ständige Bedrohung. Wenn ich mir vorstelle, ich lebe hier und ich sehe andauernd Leute mit Maschinengewehren, die Häuser sind bewacht, Stacheldraht, Mauern, Panzer fahren durch …
Bahram: Grausam ist das. Das ist meine Heimat. Das ist mein Land.
KK: Es ist ein bisschen, als wenn hunderttausend Gärtner nach Afghanistan gekommen sind, doch es gibt nichts mehr zum Begrünen. Oder noch besser: Ich habe ein Haus, stelle zehn Gärtner ein und bemerke dann irgendwann: Ich hab gar keinen Garten. Oder nur einen großen Parkplatz. Alle stehen rum, mit Gießkannen, und gehen nicht nach Hause.
Bahram: Stell dir mal vor, du hast Lust, deinen Garten selbst zu machen, aber du weißt nicht, wie. Du hättest vielleicht einen Gärtner gebrauchen können, der dir etwas hätte beibringen können. Dann hättest du gerne deinen Garten selbst grün gestaltet.
KK: Bei uns gibt’s Tine Wittler. Kennst du die? Die kommt zu dir nach Hause und renoviert deine Wohnung. Das ist so meine Vorstellung: Ich geh morgens aus dem Haus, komme abends zurück und kriege eine Wohnung, die absolut zum Kotzen aussieht. Und das ist Tine Wittlers Schuld!
Danke für deine ehrliche Meinung!
Bahram: Danke, dass du gefragt hast!
Auf dem Markt in Kabul
Auf den Straßen geht es ein bisschen zu wie nach einer gewonnenen Fußballweltmeisterschaft. Überall laufen Menschen herum. Fußgänger und Autos teilen sich die Straßen. Der Verkehr stockt. Ich stelle mir vor, dass inmitten dieser Menschenmassen plötzlich eine Bombe explodiert. Hunderte von Menschen würden auf der Stelle sterben. Ich schaue Bahram an, der neben mir im Auto sitzt. Von ihm weiß ich, dass jeder von unseren Gastgebern schon mindestens einmal bei einem Anschlag dabei gewesen ist.
Auf dem Markt in Kabul
An jeder Ecke stehen, obwohl man die potenziellen Selbstmordattentäter schon gestellt hat, immer noch Militärwagen, Pick-ups voller afghanischer Soldaten. Auf der anderen Seite spürt man die Erleichterung der Menschen, dass sie sich, zumindest für einige Zeit, wieder frei in ihrer eigenen Stadt bewegen können.
Manche fahren auf Motorrädern Waren aus. Andere transportieren Kisten auf einen der Märkte, die in der Stadt ineinander übergehen. Andere tragen nur ihre Einkäufe oder stehen herum und verhandeln mit den Händlern, die ihre Waren anpreisen.
Es herrscht ein unglaubliches Durcheinander. Allerdings gibt es einen Unterschied zu anderen Märkten auf der Welt. Und das sind die Blicke der Menschen. Bei allem, was die Menschen auf diesem Markt gerade machen, sie sind extrem wachsam. Unser Auto-Konvoi entgeht niemandem. Alle Kabuler, an denen wir vorbeifahren, werfen einen Blick auf uns.
Wir steigen aus. Sobald die Leute unsere Autos nicht mehr sehen, sind wir auf den ersten Blick auch nicht mehr als Ausländer zu erkennen. Denn wir tragen mittlerweile alle afghanische Kleidung.
Was würde passieren, frage ich Bahram, wenn wir als Ausländer erkannt werden?
Als Deutsche, antwortet er, nichts. Höchstens Freude, mal einen Deutschen
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