Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
Aber er erklärt es mir. Er kommt von der Marine. Da hat man andere Titel.
Jetzt sind wir also in Mazar-e Sharif. Wir fragen Fregattenkapitän Roland, ob wir hier auf dem Flughafen drehen dürfen. Das sei prinzipiell in Ordnung. Wir hätten, so lange er dabei sei, eine grundsätzliche Drehgenehmigung für die deutschen ISAF-Kräfte. Aber auch er müsse vor Ort immer noch alle anwesenden Soldaten fragen, ob sie mit dem Dreh einverstanden sind.
Denn jeder deutsche Soldat hat, so erklärt uns der Fregattenkapitän, wie jeder andere Bürger der Bundesrepublik Deutschland ein Recht am eigenen Bild. Deshalb müssen wir jeden fragen, der auch nur zufällig durchs Bild läuft oder laufen wird, ob er einverstanden ist.
Das Kamerateam ist parat. Wir könnten loslegen, aber Fregattenkapitän Roland muss noch mal los. Er sagt nicht wohin, aber da, wo er hingehen wird, wird er sicherlich viel fragen.
Oberleutnant Kerstin hat jetzt die Winterjacke von Peter Kümmel weggebracht und erklärt uns ein bisschen etwas über das Camp Marmal in Mazar-e Sharif, in dem wir uns gerade aufhalten.
Ich will lieber drehen. Der zweite Soldat, der auf uns aufpasst, ist übrigens Hauptfeldwebel Klaus. Er passt ebenfalls gut zu uns. Er raucht auch lieber immer gleich drei Zigaretten hintereinander.
Dann kommt Fregattenkapitän Roland mit einer Nachricht zurück: Wir müssen den Lademeister fragen, wenn wir in der Transall drehen wollen.
Auch im Cockpit?, frage ich ihn.
Nein, da müsst ihr die Piloten fragen.
Und im Bus auf dem Rollfeld?, frage ich erneut.
Vielleicht. Da müssten wir den Busfahrer fragen.
Dann bringt uns unser zweites Kindermädchen, Klaus, auch schon zu ihm, dem Busfahrer. Es bleibt keine Zeit, etwas zu fragen. Wir werden in den Bus geschoben, und der fährt los. Hoffentlich sind alle da. Ich schaue mich um. Wo ist Peter? Ohne seine Felljacke erkenne ich ihn kaum. Dahinten ist er. Ich bin beruhigt. Der Schäfer hat seine Herde zusammen und fliegt sie aufs Schlachtfeld. Die letzte Luftetappe bis Kabul kann beginnen. Die momentane Temperatur liegt um die fünfundvierzig Grad im Schatten. Luftfeuchtigkeit draußen dreiundzwanzig Prozent. Unter Weste und Hemd hundert Prozent.
Die Einstiegsprozedur in die Transall nach Kabul ist wieder die gleiche. Der Lademeister ist freundlich. Natürlich dürfen wir filmen. Doch leider hat mein Team ein paar wichtige Sachen auf eine falsche Palette gepackt, und wir können nur ein paar Schnittbilder ohne Ton drehen, die mich beim Aus- und Einsteigen des Fliegers zeigen. Das machen wir ein paar Mal, dann hat keiner mehr Lust dazu. Wozu auch? Wir wissen alle, dass wir von diesen Bildern, wenn überhaupt, nur wenige Sekunden verwenden werden. Und die haben wir längst im Kasten. Carsten, der eigentlich Marc heißt, darf dann zusammen mit einem amerikanischen General, der wohl lieber mit der Bundeswehr fliegt als mit seinen eigenen Leuten, noch mal zurück in den Terminal gehen und das verlegte Equipment holen. Man schwört uns, es würde mit der nächsten Maschine nachkommen. Ich muss rein ins Flugzeug und mich hinsetzen. Diesmal werde ich im hinteren Teil platziert, und man hilft mir sogar beim Anschnallen. Zwei Plätze weiter sitzt Tankred, zwischen uns ein Soldat. Er hat drei Punkte auf der Schulter. Was das bedeutet, weiß ich nicht, und um zu fragen, ist es zu laut. Na, besser drei Punkte auf der Schulter als am Arm, denke ich mir, er ist bewaffnet. Ich nicke ihm freundlich zu, und er nickt bärbeißig zurück.
Beim Dreh für meine Sendung
Carsten und der General tauchen wieder auf. Der General hat Carstens verbummelte Sachen gefunden. Ins Cockpit dürfen wir übrigens nicht. Da hätten wir früher fragen müssen, denn da sitzen schon welche, sagt man mir. Auch beruhigend, dass da welche sitzen, denke ich.
Ankunft Kabul
Wir sehen aus wie frisch evakuiert, aber wir sind gerade erst in Afghanistan angekommen. Ich sehe aus wie eine Mischung aus einem verkaterten Ernest Hemingway mit Brille und einem verruchten Professor Grzimek. Ich trage einen Tropenleinenanzug. Dazu einen grünen Stahlhelm von der Bundeswehr. Unter der Splitterschutzweste habe ich mir eine zweite Weste auf mein hellblaues Hemd geschwitzt. Aber ich bin zufrieden. Wir sind tatsächlich da. Wir haben es getan. Wir sind nach Afghanistan geflogen.
Wir befinden uns nun auf dem Kabul International Airport (KAIA).
Es sind fünfundvierzig Grad im Schatten. Mit Helm und Splitterschutzweste sind es fünfundneunzig Grad.
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