Ein bisschen schwanger
doch?«
Ich öffnete den Mund, aber es kam kaum ein Ton heraus.
»Sie geht gleich mit rauf und ins Bett!«, kommandierte meine Mutter, die mit meinem Vater die Taschen aus dem Kofferraum zum Haus trug.
»Ach bitte, Frau Maschewski! «, rief Melanie. »Wir haben uns so lange nicht gesehen und heute ist doch der letzte Tag! Torsten und Patrick nehmen uns im Auto mit, wir müssen nicht mal groß laufen und bleiben nur bis zum Ende des Feuerwerks, okay?«
Meine Mutter schüttelte den Kopf, ich sah sie bittend an. Ein Gang über die Kirmes mit meiner Clique war jetzt genau das, was ich brauchte, um mich wieder lebendig und zu Hause zu fühlen.
»Es geht mir gut bis auf die Heiserkeit. Ich habe doch den ganzen Tag im Auto geschlafen, Mama.«
»Linda, du bist noch krank, du kannst kaum sprechen, was ist, wenn du zusammenklappst?«
»Ich verspreche Ihnen, ich passe auf sie auf, Frau Maschewski«, sagte Patrick und lächelte meiner Mutter zu. »Torsten und ich können sowieso nicht so lange bleiben, wir haben nächste Woche Abi-Prüfungen. Und wird man nicht gerade dadurch gesund, dass man nicht zu lange im Bett bleibt? Das ist das Hausmittel, das ich kenne.«
Meine Mutter wurde verlegen, versuchte es zu überspielen und drehte sich Rat suchend zu meinem Vater um. Patrick streckte ihm die Hand hin und stellte sich vor, auch bei meiner Mutter holte er es schnell nach. Und zu meiner Verblüffung warf mir mein Vater diesmal nicht vor, mich vor dem Auspacken drücken zu wollen, sondern stellte sich auf meine Seite. »Sie hat vom Urlaub kaum etwas gehabt. Lass sie mitgehen, Annette!«
So kam es, dass ich nach vierzehn Stunden Autofahrt gleich wieder auf einem Rücksitz Platz nahm. Melanie setzte sich neben mich und jammerte über die angeblich langweiligsten Ferien ihres Lebens: »Alle waren weg, nur ich hab hier rumgehockt und durfte nicht mal laut Musik hören, weil Torsten lernen musste!«
Dabei wurde sie von Sonja, die sich auf dem Beifahrersitz im Schminkspiegel betrachtete und ununterbrochen an ihrer Frisur herumzupfte, noch angestachelt: »Meine Schwester und ich haben auf Ibiza die beste Disco der Welt entdeckt, nur supergeile Drinks, tolle Musik und Jungs, Melli, Jungs: braun gebrannt und muskulös, die kannst du hier lange suchen!«
Patrick und ich beteiligten sich nicht an der Unterhaltung. Ich, weil ich nicht konnte, und er, weil er die ganze Zeit damit beschäftigt war, mich im Rückspiegel anzusehen.
Gekrallt
16. April letzten Jahres, 20 Uhr
Das Karussell hatte die Form eines aus dem Boden ragenden Greifarms mit riesiger Klaue, an deren gekrümmten Stahlfingern die Gondeln befestigt waren. Während wir in der Warteschlange an der Kasse standen, musste ich an alte Autos denken, die vom Greifer in die Schrottpresse befördert werden sollten.
Patrick sah verdammt gut aus. Seine braunen Haare hatte er mit blonden Strähnchen aufgepeppt, er war so braun gebrannt und muskulös, wie Sonja es von einem Jungen forderte, er war außerdem älter und seine Augen hatten etwas Bestechendes. Er blickte wieder zu mir herüber, forschend verliebt, hochmütig verliebt, verliebt ohne Lachen, verliebt ohne Wärme und gleichzeitig wahnsinnig echt und anziehend, und sagte, er werde den drei Damen zur Feier des Tages diese halsbrecherische Fahrt ausgeben. Melanie und Sonja freuten sich, Tim und Till maulten, so dass Torsten sich genötigt sah, seinerseits die beiden Jungs einzuladen.
Wir standen in der Warteschlange dicht nebeneinander, als Patrick das Eintrittsgeld auf die Theke zählte. Seine Hände waren groß und ein wenig behaart, die Finger schnell und kräftig wie die eines Pianisten. Er war nicht tätowiert oder auffallend modisch angezogen, eher sportlich teuer. Außerdem roch er gut. Ein Aftershave, dem die Duft-Designer bestimmt literweise sexuelle Lockstoffe aus dem Tierreich beigemischt hatten.
Ich war mir keineswegs sicher, ob der Greifer jetzt das Richtige für meine Gesundheit war, ich fühlte mich noch reichlich schwach von der Grippe, zudem waren meinem empfindlichen Magen die Medikamente nicht bekommen und mein Kreislauf war auch nicht gerade in Hochform.
Patrick schien meine Gedanken lesen zu können. Er legte den Arm um mich: »Wir setzen uns zusammen. Falls dir schlecht wird.«
Ich lächelte vage und registrierte mit einer Mischung aus Stolz und Schrecken den einvernehmlichen Blick, den sich Sonja und Melanie zuwarfen: »Sieh an, unsere Linda, kaum zu Hause, angelt sie sich den größten
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