Ein Clochard mit schlechten Karten
Zenana ist alles andre als blöd
„Nicht immer“, warf ich ein.
„Alles in allem ist er ziemlich
pfiffig.“
„Eher verschlagen.“
„Von mir aus auch verschlagen.
Jedenfalls ist er ins Grübeln gekommen. Jo hatte das Geld für die Waffen...
Übrigens waren wir bei Laurédant .“
„Und?“
Wenn er Widerstand gegen die
Staatsgewalt geleistet hatte, war Wanda schon wieder Witwe. Vollwitwe.
„Wir haben ihn eingesperrt. Und
den Besitzer des Kahns auch.“
„Waren Waffen an Bord?“
„Ja. Zurück zu Zenana . Er hatte langsam die Schnauze voll von der Politik.
Wollte schon lange billig an Geld kommen. Joséphines Schatz war ‘ne günstige
Gelegenheit. Er hat einen Plan: die Hellseherin töten und alles so arrangieren,
daß der Verdacht auf Sie fällt. Seine Genossen würden von Jo’s Verbindung zu Ihnen erfahren und ihre Schlüsse daraus ziehen. Sie sollten
glauben, die Hellseherin habe die Organisation verraten. Das würde reichen.
Außerdem legt Zenana für uns eine Spur, die die
Briefkastenfunktion der Märchentante offenbart. Die Araber müssen also auf der
Hut sein. Nur, die Sache hat einen Haken: wie werden Sie sich verhalten, wenn
man Sie einlocht? Klar, Sie werden den Mord leugnen und erklären, warum Sie bei
Joséphine waren. Auftritt Paul Demessy . Will eine
Abtreibung in Auftrag geben, verläßt dann aber seine Frau usw. Wir knöpfen uns Demessy vor, um Ihre Aussagen zu überprüfen. Demessy bestätigt die Geschichte. Wir schließen daraus, daß
Sie in die Sache reingezogen werden sollten. Immerhin ein Zeitgewinn für den
tatsächlichen Mörder, aber vielleicht nicht ausreichend. Der Zeitgewinn wär
größer, wenn die Polizei diesen Demessy überhaupt
nicht fände. Und so lange die Polizei und die Genossen glauben, daß der Privatflic das Ding gedreht hat, verdächtigen sie niemand
anderen. Zenana führt seinen verschlagenen Plan aus.
Er weiß nämlich, wo Demessy steckt. Vielleicht ist er
auch auf die Idee gekommen, eben weil er’s weiß. Er murkst Demessy ab und sagt seinen Komplizen, der Mann sei ein
Spion gewesen. Mit ihrer Hilfe mauert er die Leiche im Keller ein...“
„...wobei er sich von einer Bunten
Nachricht inspirieren läßt, die vor ein paar Jahren in der Rue du
Théâtre... Theater gemacht hat.“
„Ja. Aber zuerst bringt er noch
die Hellseherin um die Ecke und klaut das geklaute Geld. Alles zusammen —
Leiche und Geld — wird eingemauert. Denn er kann ja nicht ständig mit einem
Tresor unterm Arm rumlaufen. In Demessys Grab liegt
das Geld lange frisch. Später will er dann wiederkommen. Nur... der Privatflic wird nicht eingesperrt! Und in der Zeitung steht
nichts über den Fall. Zenana begreift, daß der
Briefkasten zur Mausefalle geworden ist. Er warnt seine Genossen, erzählt ihnen
von Joséphines Ableben, von dem er zufällig gehört habe, was gar nicht so
unwahrscheinlich ist. Jetzt kommt Bewegung in die Truppe. Die Waffen sind da, aber kein Sou, um sie zu bezahlen. Sie halten eine
Krisensitzung nach der andern ab. Und Sie müssen natürlich in eine der
Versammlungen reinplatzen! Ihre Papiere verraten Ihre Identität. Was wollen Sie
in dem Hotel? Wissen Sie über alles Bescheid? Zenana hat Angst, daß Sie auspacken. Mit ‘ner Dröhnung will er Ihr Gehirn vernebeln.
Und bis Sie wieder klar denken können, werden die andern doch hoffentlich
kurzen Prozeß mit Ihnen gemacht haben.“
„...was auch bestimmt passiert
wär“, ergänzte ich, „ohne das Feuerwerk. Ich muß rauskriegen, zu welcher Gruppe
die freundlichen Granatwerfer gehörten... Werd ihnen
‘ne Spende zukommen lassen.“
* * *
Ein paar Tage später konnte ich
das Hospital verlassen. Mein erster Weg führte zum Comptoir de Crédit , wo Faroux mich schon
angemeldet hatte. Dann fuhr ich in die Rue de la Saïda .
Hortense wußte schon über alles Bescheid. Ich brauchte also nicht verlegen
herumzustottern. Blieb nur so lange wie nötig; grade um ihr das Geld
zuzustecken, mit dem sie etwas sorgloser in die Zukunft blicken konnte. Als ich
draußen auf der windgepeitschten Eisentreppe nach Streichhölzern in meiner Tasche
suchte, berührte ich das luxuriöse Parfümfläschchen-Etui. Demessy hatte es Wanda geklaut, und jetzt gehörte es Jeanne Marigny .
Ich zündete meine Pfeife an und stieg die paar Stufen zur vierten Etage hoch.
Paris,
1957
Nachgang
Es ist eines der Bistros, das man ,gemütlich “ nennen möchte, obwohl das ein typisch
deutsches Wort ist, das sich ins Französische
Weitere Kostenlose Bücher