Ein cooler Typ aus der Hölle
sich ergehen ließ.
Im Gegenzug kraulte er Luna die Flanken und wischte sich dann mit einem
Papiertaschentuch das Gesicht ab.
Katja Beck besaß zwar ein Bike.
Aber es war seit drei Wochen defekt und in Reparatur. Volker ging davon aus,
dass sich seine Freundin zu Fuß auf die Flucht gemacht hatte. Taxi schied aus.
U-Bahnfahren war Katja verhasst. Und zum unauffälligen Untertauchen ist
Fußläufigkeit ohnehin die beste Bewegungsart.
Das hatte Tim auf die Idee
gebracht, Luna einzusetzen. Ja, auf das wie beim Suchen kam es jetzt an.
Der Hund liebte sein Frauchen.
Der Hund war im Fährtenlesen hervorragend. Mit ein bisschen Glück würde man
Erfolg haben.
Von Volkers Elternhaus bis zu
Katjas Adresse benötigten Luna und die fünf auf ihren Rädern nur acht Minuten,
wie Tim mit Blick auf die Armbanduhr feststellte. Und sie waren langsam
gefahren, denn Luna lief an der Leine — wie konnte es anders sein — neben Gabys
Fahrrad. Zwar wäre die Hündin gern ungestüm losgestürmt. Aber wegen
Schneematsch und Lunas Unerfahrenheit in größeren Gruppen war verhaltenes Tempo
angesagt.
Halt in einer stillen
Seitenstraße. Die Becks bewohnten einen Bungalow.
Der Garten, dachte Tim, sieht
ja aus wie geleckt. Erster Preis beim Wettbewerb ,Schönster Garten in unserer
Millionenstadt‘ — könnte man meinen. Der Amtsrichter hat dafür bestimmt keinen
Finger gerührt — und Frau Schluckspecht auch nicht. Ist nur Katjas Verdienst.
Im Sommer liegt Luna dann auf dem Zierrasen und beobachtet die Schmetterlinge.
Kaum sah Luna ihr Zuhause,
begann sie in hohen Tönen zu fiepen.
„Nee“, sagte Gaby, „dorthin
wollen wir jetzt nicht. Wir suchen dein Frauchen, Luna.“
Volker zog unter seiner
Steppjacke einen geblümten Seidenschal hervor. Er duftete zart nach einer
Lotion und gehörte Katja.
Gaby hielt ihn unter Lunas
aufgeregte Nase.
„Luna, such das Frauchen! Such
und hilf.“
Für einen Moment schien es, als
wollte der Hund mit dem Schal spielen. Tim hatte schon Bedenken, ob sich seine
Idee so einfach verwirklichen ließ.
Aber dann stieß Luna die Nase
zu Boden, bohrte sie in den jetzt knöcheltiefen Schnee, pflügte ihn auf und zog
heftig in eine Richtung: die Straße hinab, wo es noch stiller war und die sich
lang hinziehende Willröder Straße in ein Stadtrandviertel führt.
Tim übernahm Gabys Bike.
Seine Freundin ließ sich von
Luna ziehen.
Die Jungs schoben hinterher und
mussten sich beeilen.
Gaby passte sich Lunas Tempo an
und verfiel in Trab.
Über die Schulter rief Tims
Freundin zurück: „Sie hat die Fährte aufgenommen. Super! Hoffentlich geht das
so weiter.“
5. Katjas Schülerausweis
Sekunden entschieden über
Katjas Flucht.
Hätten sich Jürgen, der mit
Nachnamen Körber hieß, und Edward Holmes etwas mehr beeilt, wäre das Mädchen
nicht entkommen.
Aber die beiden Verbrecher
ließen sich Zeit.
Vorsicht war geboten. Sie
befanden sich hier, um einen Auftrag zu erledigen, eine Strafaktion. Martin
Mcfish sollte grausig verstümmelt werden, sollte — wie es die Auftraggeber
verfügt hatten — seine rechte Hand verlieren.
Wer sich mit solcher Absicht
auf fremdem Terrain bewegt, muss vorsichtig sein. Also handelten die beiden
ohne Hast.
Holmes nahm den Weg auf der
Rückseite des Schuppens, Körber pirschte vom entlang.
Sie trafen sich an der hinteren
Schmalseite, wo jeder um die Ecke linste.
Körber entdeckte die Spur im
frischen Schnee. Sie führte von einem geöffneten, schmalen Fenster in den
Hintergrund des Grundstücks und verlor sich zwischen Büschen.
Es war eine hastige Spur.
Laufschritte. Von kleinen Füßen. Ein Kind? Eine Frau?
„Dort lang!“, sagte Körber
halblaut.
Holmes hatte schon begriffen
und jagte los. Er war vor Körber an den Büschen und dann auch an dem niedrigen
Jägerzaun, der Martins Grundstück auf der Rückseite begrenzte.
Körber, der untersetzt und
übergewichtig war, langte keuchend bei ihm an. Holmes deutete auf ein
unbebautes Grundstück. Die Fluchtspur führte über die geschlossene Schneedecke
zur anderen Seite. Wieder ein Zaun. Dahinter verlief eine Straße.
Der Ausschnitt, den sie sehen
konnten, war von Lichtpeitschen erleuchtet. Eine Bushaltestelle. Eben setzte
sich der Bus in Bewegung, blinkte vorschriftsmäßig, scherte aus und fuhr ab.
Vier, fünf Personen waren
ausgestiegen und gingen jetzt, mit gesenktem Kopf gegen den Wind gestemmt,
ihrer Wege.
„Zwecklos!“, murmelte Holmes.
„Mist! Aber du hast leider
Recht. Wir wissen ja nicht
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