Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
argwöhnischen Blick zu. Ich versuche, meine Worte zu erklären. »Irgendwann einmal habe ich in einem dieser Army-Shops diesen grau-blauen Wintermantel gekauft. Mir gefielen der recht körperbetonte Schnitt, die Revers, die glänzenden Knöpfe. Dabei bin ich eigentlich Pazifistin.«
Juneko, die bislang geschwiegen hat, sieht ein wenig verwirrt aus. »In Japan ist man gerne ein Teil einer Gruppe, einer Gemeinschaft. Man denkt dort immer zuerst an die anderen.«
Ich lächele und nicke. »Die Japaner sind wie ein Kollektiv der Borg bei Star Trek«, flüstert mir Chris zu, bevor er sich an Juneko wendet. »Ich weiß, wir versuchen tagtäglich, Trishna zu vermeiden. Wir leben in der Gemeinschaft und arbeiten für die gute Sache.« Chris lächelt ausweichend.
»Dazu gehört auch zum Beispiel, die Jahresabschlussschau zu eröffnen«, stelle ich fest.
»Ach ja, das. Curtis und ich sind auf Facebook Freunde geworden. Er hat meinen Blog dort über das Nähen im digitalen Zeitalter gelesen. Nach Hannelores Buchpräsentation war mein Foto in der Zeitung.«
»Jetzt bist du also eine berühmte Persönlichkeit – ein Künstler des Brit Art«, stelle ich fest und verspüre zugleich einen Hauch von Eifersucht wie auch von Verärgerung.
»Nein, das hast du vollkommen falsch verstanden. Ich musste mir einfach nur ein Profil erstellen, um gesehen zu werden. Das ist jetzt aber schon nicht mehr wichtig. Es war vergänglich – denn alles ist im Fluss, wie die Buddhisten sagen.«
»Das ist ja fast schon Zen«, stellt Juneko fest.
»Er hat dir also für deinen Gastauftritt nichts gezahlt?«, frage ich spöttisch.
»Laura, woher weißt du das?«
»Ich bin eine Frau von Welt, kein Mönchsanwärter.«
»Aber Sie tragen dort keine Uniformen wie die Mönche im Osten?«, erkundigt sich Hannelore, die entweder unsere Unterhaltung über das College ignoriert oder – wie ich manchmal vermute – womöglich nicht alles verstanden hat. Diese Art der Unterhaltung, die aus zusammenhanglosen Gedankensprüngen besteht, dauert noch an, bis wir die Liverpool Street Station erreichen. Nach unseren Gesprächen bin ich ganz aufgeregt und habe das Gefühl, meine Batterien wieder aufgeladen zu haben. Dieser Eindruck wird durch das geschäftige Treiben im Bahnhof, durch das ständige Kommen und Gehen der Menschen hier sowie durch die Züge, die alle möglichen Ziele ansteuern, verstärkt.
Die Begeisterung darüber, in London zu sein, verblasst schnell, sobald wir in der U-Bahn sitzen und ein ganzes Stück bis nach South Kensington die Circle Line entlangfahren. Wir durchqueren die Fußgängerunterführungen der Cromwell Road; mein roter Seidenkimono bauscht sich im Durchzug auf. Die warme, abgestandene Luft hier erinnert nur entfernt daran, dass es draußen (in der realen Welt) ein wunderschöner Sommertag ist.
Ich mag die strahlende Farbe des Kimonos in Kombination mit meiner schlichten Jeansjacke. Seit ich fünfzehn bin, sind Jeansjacken ein fester Bestandteil in meinem Kleiderschrank – sie passen einfach zu allem. Dabei ist mir auch gleich, dass ich den Kimono schon beim Mittsommermarkt getragen habe. Stattdessen rede ich mir ein, dass niemand in der Warteschlange etwas auch nur Ähnliches trägt. Die Idee war, etwas anzuziehen, das sich möglicherweise in der Toshiba Gallery befindet – das ist die Japan-Sammlung des Victoria and Albert Museum , vor dem wir nun anstehen. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Wie Juneko das wohl findet? Denkt sie womöglich, ich mache mich über die japanische Lebensweise und das japanische Volk lustig?
»Wir sollten uns an der linken Schlange anstellen, dort scheint es schneller zu gehen«, stellt Hannelore fest.
»Ihre Tasche bitte, Madam.« Ich setze die Handtasche auf einem kleinen Tisch ab und habe das Gefühl, eher eine Sicherheitskontrolle am Flughafen zu passieren als mir ein paar Kunstwerke in einer Galerie anzuschauen. Das Sicherheitspersonal ist ebenso muskelbepackt wie die Türsteher vor den Nachtlokalen und lässt die gleichen Witze vom Stapel – nur mit dem Unterschied, dass diese Männer hier echte stahlblaue Militäruniformen mit Revers und glänzenden Knöpfen tragen. Wie beim Flughafen bekomme ich auch jetzt automatisch ein schlechtes Gewissen.
»Meine Mutter hatte früher ein Kleid aus diesem Stoff«, gluckst einer der Wachmänner und betrachtet die gedruckten Ananasfrüchte auf meiner Tasche. Ich hatte auch mal so ein Kleid, hätte ich beinahe erwidert. Jetzt ist es
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