Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
wegen seiner Ansprache über die digitalen Medien bei der Jahresabschlussschau im College.
»Den Lucienne-Day-Stoff. Aber nicht nur den, den du in dem Secondhandladen entdeckt hast, sondern auch noch einen zweiten von ihr mit einem Blättermotiv. Erinnerst du dich noch daran? Wir waren zusammen shoppen«, fragt Chris und setzt sich neben mich.
»Natürlich erinnere ich mich daran«, antworte ich leise, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich wirklich will, dass alle von unserer kleinen gemeinsamen Einkaufstour erfahren. Mittlerweile denke ich, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, Chris nach London einzuladen.
»Es macht dir doch nichts aus, wenn ich den Sitz am Gang wähle, oder? Ich bin einfach zu groß für den öffentlichen Nahverkehr.«
»Oder dir zu schade, weil du doch jetzt prominent bist«, erwidere ich scherzhaft. »Nein, mach nur. Mir ist ohnehin der Fensterplatz lieber.« Ich klammere mich an meinen Latte macchiato und beobachte, wie der Zug den Bahnhof verlässt. Seit unserem Umzug nach Norfolk ist dies das erste Mal, dass ich in einem Zug oder ganz generell einem öffentlichen Verkehrsmittel sitze und eine Stadt besuche, die weiter entfernt ist als Great Yarmouth.
Der Fahrkartenkontrolleur kommt den Gang entlang. »Sie sitzen im falschen Abteil«, stellt er fest. »Dies hier ist die erste Klasse.«
Hannelore setzt ganz gemächlich ihre Brille auf und deutet auf die Reservierungsangaben auf unserem Gruppenticket. »Wir befinden uns im richtigen Abteil. Dies hier ist Wagen H.«
»H wie Hannelore«, flüstert Chris, als wären wir ungezogene Schulkinder.
»Sie will damit sagen, dass wir …«, gehe ich dazwischen, um die Wogen zu glätten. Bevor ich jedoch aussprechen kann, unterbricht mich der Kontrolleur. »Rede ich etwa mit Ihnen? Ich habe keine Lust, dass wir hier Streit bekommen!«
»Aber sie wollte doch nur …«, versucht Chris, mir zu Hilfe zu kommen.
Diese Diskussion geht noch eine Weile so weiter, und Hannelore sieht beinahe so aus, als würde sie entweder gleich explodieren oder dem Kontrolleur einen Schlag verpassen.
So viel also dazu, einen friedlichen, entspannten Ausflug unter Erwachsenen zu unternehmen! Ich beobachte, wie sich der Kontrolleur zurückzieht.
»Ich glaube, er hat hier gerade seine Erzfeindin getroffen, sodass wir hierbleiben können«, flüstert Chris. »Aber egal. Das hier ist jedenfalls für dich – für die Königin der Vintagestoffe. Tut mir leid, dass du es erst jetzt bekommst.«
Ich werfe einen Blick in die Tasche, schaffe es aber, mich im Zaum zu halten und nicht gleich die zwei Stoffe auszupacken. Denn ich möchte eigentlich nicht, dass Hannelore sie sieht. Doch in meinem Kopf kalkuliere ich sogleich, wie viele Taschen und Krawatten ich damit wohl nähen kann. Zudem überlege ich – und das ist neu –, dass ich dieses Mal mehr Geld dafür nehmen kann, als mir allein die Materialkosten bezahlen zu lassen.
»Er ist wie die Preußen«, stellt Hannelore fest. »Ich dachte eigentlich, ich hätte all das hinter mir gelassen.«
»Wer ist wie die Preußen?«, frage ich. Meine Erdkundekenntnisse aus der Schule sind leider nicht die besten, weshalb ich nicht genau weiß, wer die Preußen waren oder sind. Ich genieße jedoch diese Gesprächsfetzen unter Erwachsenen, denen ich mit einem Ohr lausche, während ich nach draußen schaue und beobachte, wie der weite Himmel von Suffolk an uns vorüberzieht.
»Constable hat diese Aussicht gemalt«, erklärt Chris. »Mir gefällt sie besser als diese vollkommen flachen Landstriche in Norfolk. Ich glaube, ich habe mittlerweile genug vom platten alten Norfolk.«
»Wie kannst du so etwas nur sagen? Ich könnte ewig auf das Moorland hinausblicken.« Der Drang, mein adoptiertes Zuhause so in Schutz zu nehmen, überrascht mich selbst.
»Der Schaffner. Sie nutzen jede nur mögliche Gelegenheit, eine Uniform und eine Dienstmarke zu tragen«, erklärt Hannelore.
»Bitte?«, frage ich verwirrt.
»Wir sprachen gerade über die Preußen, als er sich eingemischt hat.« Sie deutet auf Chris.
»Das können Sie aber doch nicht generalisieren«, entgegnet Chris.
»Natürlich kann ich das. Glauben Sie ernsthaft, eine Armee könnte ohne Militäruniformen einen Krieg gewinnen?«
Sofort lenkt Chris ein. »Da haben Sie wahrscheinlich Recht. Sie sollten ein Buch darüber schreiben.«
»Bei Uniformen geht es aber nicht immer nur um Krieg. Man kann sie auch wegen ihres Stils und Schnitts tragen.« Juneko wirft mir einen
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