Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
von Nahem sehen kann, ganz fantastisch aus. Jedes Mal, wenn ich sie jedoch anschaue, überschlage ich von Neuem, wie viele Accessoires ich aus ihrer Kleidung nähen könnte. Bin ich etwa besessen? Außerdem: Warum schwitzt sie nicht so wie ich? Ist sie überhaupt ein Mensch? Angesichts dieser Fragen, die sich mir stellen, könnte man glatt meinen, ich sei eines der Kinder.
»Mrs Stark. Mrs Stark«, spricht mich jemand mit einer sehr deutlichen Aussprache an. Ich reiße mich von meinen Gedanken los und sehe, wie mich Mrs Jones anlächelt. Doch ich bringe es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ich meinen Mädchennamen beibehalten habe. »Mir haben Ihre Accessoires beim Mittsommermarkt sehr gut gefallen. Als ich Sie dann noch einmal in der Sonntagszeitung gesehen habe, fand ich, dass ich unbedingt etwas kaufen muss.«
Tatsächlich?, entfährt es mir beinahe, da es mir schwerfällt, mir Elaine Jones mit einer meiner Kreationen vorzustellen.
»Ich würde gern etwas für meine Nichte bestellen. Haben Sie etwas, das gut zu ihrem rotbraunen Haar passt?«
»Ich werde sehen, was ich noch übrig habe. Wenn ich nichts mehr habe, kann ich auch gerne etwas nach Ihren Vorstellungen nähen.«
»Das wäre toll. Hätten Sie denn vielleicht auch Lust, bei der Schulversammlung den Schülern etwas über Ihre Kunst zu erzählen?« Diese Frage kommt ziemlich unerwartet. Und wie immer stimme ich sofort zu, ohne überhaupt einmal darüber nachzudenken. Dann erst rudere ich ein wenig zurück. »Ich weiß allerdings nicht genau, was ich Ihrer Meinung nach dort erzählen soll.«
»Sie sind ein Vorbild für viele Mädchen«, erwidert Mrs Jones. »Es geht um die Hoffnung und das Streben nach eigenen Zielen, um Ihre Ausbildung an der Kunsthochschule, die Stoffentwürfe und schließlich auch um Ihr neues Unternehmen.«
Sie hat tatsächlich auch das Mercia -Magazin gelesen, denke ich. Dabei hätte ich sie eher für die typische Ein Herz für Tiere -Leserin gehalten …
»Und nicht zuletzt geht es auch um Ihre Selbstständigkeit. Könnten Sie den Vortrag morgen schon halten? Schließlich ist das Schuljahr bald zu Ende, und der Schulsporttag steht ja auch noch an. Den finanziellen Zuschuss vom Elternbeirat würde ich gern nutzen, um von Ihrem wunderbaren Ehemann eine Jurte für unser ›Freiluft-Klassenzimmer‹ bauen zu lassen. Schicken Sie ihn einfach zu mir, dann können wir alles besprechen.«
»Ich werde es ihm ausrichten.«
»Wenn ich morgen in der Versammlung den Vortrag halte, dann muss ich aber beim Wettlauf der Mütter leider passen«, erkläre ich, da ich mir nicht sicher bin, ob ich jetzt bei beidem zugesagt habe. Bei dieser Hitze habe ich ohnehin schon keine Lust zu gehen – von Laufen ganz zu schweigen!
Allein schlendere ich wieder The Green hinunter. Die Sommerferien stehen uns nun also unmittelbar bevor, doch ich befürchte, dass es für uns alle eher ein Arbeitsurlaub wird. Meine Töchter werden wohl oder übel ganz altmodisch ihre Ferien mit Nähen verbringen müssen.
Der zentrale Aspekt bei meiner Geschäftsidee ist das breit gefächerte Angebot, rede ich mir ein. Ich sollte die Episode mit der Hundeleine einfach vergessen und mich stattdessen auf die Herbstferien und das Weihnachtsfest konzentrieren, die als Nächstes anstehen. Sofort muss ich an Christbaumkugeln, Sterne und einen Nikolausstrumpf denken, der mit passenden Accessoires für eine sehr besondere Person gefüllt ist. Angesichts so vieler Ideen werde ich eine ganze Heerschar von Näherinnen brauchen. Was lässt sich sonst noch aus Vintagekleidern und wiederverwerteten Stoffen herstellen? Vielleicht könnte ich ja auch ein paar exotischere Stoffe verwerten und mir dazu die alten Textilverbindungen, die früher zwischen Norfolk und Indien bestanden, zu Nutze machen? Ich weiß, dass ich mich hier möglicherweise von meiner eigenen Begeisterung mitreißen lasse, aber ich liebe es eben, meiner Kreativität freien Lauf zu lassen!
Die Mädchen sind aus der Schule zurück und »verstecken« sich im Inneren des Hauses – draußen ist es einfach zu heiß. Reedby erinnert mich heute sehr an Südfrankreich: der strahlend blaue Himmel, Lavendel in voller Blüte und, nicht ganz so hübsch, der sonnenverbrannte Rasen. Ich werfe einen Blick hinaus auf die Terrasse; plötzlich verdunkelt sich der Himmel, und große Regentropfen prasseln auf den glühend heißen Terrassenboden. »Das ist ein Tropensturm«, brüllt Lilly. Gemeinsam laufen wir in den Garten und tanzen im
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