Ein Cowboy zum Verlieben: In einer zärtlichen Winternacht (German Edition)
Knochen spürten.
Da er wusste, dass sie zu stolz wäre, um seinen Mantel anzuziehen, schlüpfte er aus seinem rechten Ärmel, drückte Juliana fest an seine Seite und hüllte sie in den Stoff.
Sie versteifte sich, wehrte sich aber nicht.
Er ließ die Pferde lostraben, den Blick fest auf die verschneite Straße gerichtet. Bis sie die Ranch erreichten, würde es bereits dunkel sein, doch die Pferde kannten den Weg.
Juliana Mitchell fühlte sich warm und weich an seiner Seite an. Er hatte ganz vergessen, wie es war, eine Frau zu beschützen. Die Erinnerung daran tat weh, wie verfrorene Gliedmaßen, die langsam wieder auftauten.
Beth war nun schon eine Weile gegangen, und auch wenn er nicht gerade stolz darauf war, so hatte er sich im letzten halben Jahr ein oder zwei Mal drüben in Choteau oder in Missoula mit lockeren Frauenzimmern vergnügt.
Was er jetzt empfand, war natürlich etwas ganz anderes. Obwohl diese Frau ganz offensichtlich das Glück verlassen hatte, war sie eine echte Lady. Ihre Herkunft konnte sie selbst in ihren fadenscheinigen Kleidern nicht verleugnen – schon gar nicht vor einem Rancher, der feinste Rinder und Pferde züchtete.
Minuten später, als sie über die Straße rumpelten, entspannte Juliana sich allmählich an seiner Seite, bis ihm klar wurde, dass sie eingeschlafen war. Bestimmt war sie sehr erschöpft. So traurig, wie sie nach dem Lesen des Briefs aufgesehen hatte, musste etwas sehr Enttäuschendes darin gestanden haben.
Zumindest wusste er, dass niemand gestorben war, denn das hatte er sie sofort gefragt.
Lincoln versuchte sich vorzustellen, was sie so aus der Fassung gebracht hatte, auch wenn ihn das selbstverständlich überhaupt nichts anging.
Vielleicht war sie mit dem Verfasser des Briefes verlobt gewesen, und er hatte sich jetzt für eine andere entschieden.
Seine Schulter begann zu schmerzen, weil er seinen Arm in einem unnatürlichen Winkel um Juliana gelegt hatte, doch das interessierte ihn nicht. Wenn er nicht so ein praktisch veranlagter Mensch gewesen wäre, hätte er die Pferde sogar an der Ranch vorbeigelenkt, nur damit sie sich noch ein wenig länger an seiner Schulter ausruhen konnte.
Der Wind wurde schärfer, der Schnee fiel heftiger. Als er hinter sich zu den Kindern blickte, saßen sie stoisch auf ihren Plätzen, eingepackt in ihre Decken.
Fast eine Stunde war vergangen, da kamen endlich die Lichter der Ranch in Sicht. Dunkelgolden glühten sie in der Finsternis.
Lincolns Herz begann höher zu schlagen, so wie immer, wenn er die letzte Biegung der Straße nahm und sein Heim sah, das etwas weiter oben auf ihn wartete.
Sein Heim.
Er war in diesem großen, einstöckigen Blockhaus mit seinen Steinkaminen als dritter Sohn von Josiah und Cora Creed zur Welt gekommen. Micah, der Erstgeborene, hatte die Ranch schon lange verlassen und ein eigenes Haus unten in Colorado gebaut. Weston, der nächste in der Linie, lebte in der Stadt, in einer Wohnung über dem Diamond Buckle Saloon, wo er den
Courier
herausbrachte – sofern er nüchtern genug war, um die Druckerpressen zu bedienen.
Zwei Jahre jünger als Wes war Lincoln nur einmal von zu Hause weggegangen, um das College in Boston zu besuchen und danach bei einem Anwalt in die Lehre zu gehen – Beth’ Vater. Sobald er selbst hatte praktizieren können, hatte er Beth geheiratet, sie mit nach Hause auf die Stillwater Springs Ranch genommen und sie mit all der Leidenschaft geliebt, die ein Mann für eine Frau empfinden konnte.
Für ein Mädchen aus der Stadt hatte Beth sich erstaunlich schnell an das einsame Leben auf einer Ranch in Montana gewöhnt, und falls sie Boston jemals vermisst hatte, so hatte sie es nie gesagt. Sie hatte ihm Gracie geschenkt, und zusammen waren sie glücklich gewesen.
Jetzt ruhte sie auf dem kleinen Friedhof hinter den Obstbäumen, so wie Josiah und der vierte Creed-Bruder Dawson.
Dawson. Manchmal war es sogar noch schmerzhafter, an seinen Tod zu denken, als daran, wie Beth gestorben war.
Juliana richtete sich gähnend auf, und er ahnte, dass sie sich für ihr vertrauliches Anlehnen schämte.
„Wir sind fast da“, verkündete er gerade laut genug, dass sie ihn verstehen konnte.
Sie entgegnete nichts, richtete sich aber noch etwas mehr auf und wollte sich von ihm lösen, was allerdings sein Arm und der Mantel verhinderten.
Als sie das Gatter mit dem gebogenen Schild erreichten, wollte Lincoln absteigen, doch Joseph war schneller. Er schob den Riegel zurück, stieß das Tor weit
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