Ein Cowboy zum Verlieben: In einer zärtlichen Winternacht (German Edition)
hätte gern einen eigenen Hund, einen, der mir Stöckchen bringt, und ich möchte in die Schule gehen, damit ich nicht dumm bleibe …
Lincoln nickte. Obwohl er ihre Bitte noch nie abgeschlagen hatte, fragte sie jeden Abend aufs Neue.
Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, stellte Tom seine Tasse in das Spülbecken und verschränkte die Arme vor der Brust. „Laut dem jungen Joseph“, sagte er, „haben er und seine Schwester Verwandte in North Dakota – eine Tante und einen Großvater. Sobald sie genug Geld gespart haben, will er mit Theresa nach Hause fahren.“
Als Lincoln sich jetzt von seinem Stuhl erhob und die Lampen herunterdrehte, fühlte er sich viel älter als fünfunddreißig. Tom kümmerte sich in der Zwischenzeit um das Feuer im Kamin.
Diese ausgedehnten Gesprächspausen zwischen ihnen waren ganz normal. Tom hatte Lincoln immer näher gestanden als sein eigener Vater. Josiah Creed war ein harter Brocken gewesen. Weder Lincoln noch Wes waren nach seinem Tod besonders traurig gewesen – das hatten sie Micah, dem Ältesten, und ihrer Mutter überlassen.
„Hat der Junge zufällig erzählt, wie er und das Mädchen auf diese Schule außerhalb von Stillwater Springs gekommen sind?“
Tom richtete sich auf. Sein Profil wirkte im Schein der letzten Laterne grimmig. „Die Regierung hat beschlossen, dass es für ihn und seine Schwester besser wäre, die Lebensweise der Weißen zu lernen“, erklärte er. „Daher haben sie die beiden vor ein paar Jahren aus dem Reservat in North Dakota geholt und sie in verschiedenen, sogenannten Einrichtungen untergebracht. Seit dem Tag haben sie ihre Familie nicht mehr gesehen. Jetzt hatten sie das Glück, gemeinsam in eine Schule zu kommen, und Juliana hat ihnen geholfen, einen Brief zu schreiben. Das ist inzwischen sechs Monate her, und sie haben tatsächlich eine Antwort bekommen.“ Tom brach ab und schluckte sichtlich, seine Stimme wurde heiser. „Die Familie will sie wiederhaben, Lincoln.“
Einen Moment lang stand Lincoln nachdenklich in dem dämmrigen Licht. „Dann werde ich sie zu ihnen schicken. Ich setze sie nächste Woche in den Zug.“
Schließlich antwortete Tom, wobei der Kummer all seiner Vorfahren in seiner Stimme lag. „Sie sind Kinder. Sie sollten diese Reise nicht allein machen.“
Wieder schwiegen die beiden Männer einvernehmlich. Dann sagte Lincoln: „Du willst mit ihnen fahren.“
„Jemand sollte es tun“, erwiderte Tom. „Damit ihnen nichts geschieht. Außerdem kann sich vieles geändert haben, seit der Brief gekommen ist.“
Lincoln dachte über seine Worte nach und nickte. „Was ist mit den Kleinen?“, fragte er, ohne seinen Freund anzusehen. „Daisy und Billy-Moses?“
„Sie sind Waisen“, entgegnete Tom, und Traurigkeit senkte sich über den dunkler werdenden Raum wie ein schweres Gewicht. „Schätze, Miss Mitchell hat vor, sich so lange um sie zu kümmern, bis sie ein neues Zuhause für sie gefunden hat.“
Bis sie ein neues Zuhause für sie gefunden hat.
Als ob es sich bei den Kleinen um streunende Hunde oder Katzen handelte.
Mit einem weiteren Nicken wandte er sich ab.
Es war Zeit, zu Bett zu gehen.
Doch er bekam kein Auge zu. Einerseits wegen der Notlage, in die die vier unschuldigen Kinder geraten waren, andererseits weil er wusste, dass Juliana Mitchell direkt auf der anderen Seite der Wand im Bett lag.
2. KAPITEL
D ie Matratze fühlte sich wie eine Wolke an, wie mit Federn von Engelsflügeln gefüllt, doch Juliana fand keinen Schlaf. Daisy ruhte arglos an ihrer rechten Seite und lutschte an ihrem winzigen Daumen, während Billy-Moses sich auf der linken Seite fest an sie geschmiegt und in ihr Nachthemd verkrallt hatte. Der Stoff war noch immer halb gefroren, nachdem er den ganzen Tag in ihrer Tasche in der Kälte gelegen hatte.
Juliana lauschte den Geräuschen im Haus, hörte das Knarren einer Bodendiele oder des Holzdachs, das Öffnen und Schließen einer Tür etwas weiter den Korridor hinunter. Wahrscheinlich war Lincoln Creed gerade in sein Zimmer gegangen oder in das seiner Tochter, um ihr noch einen Gutenachtkuss zu geben. Ob er wohl auch ein freundliches Wort für Theresa übrig hatte, die so hungrig nach Zuneigung war? Oder richtete er seine ganze Aufmerksamkeit auf seine kleine Tochter?
Gracie war ein entzückendes Kind, hübsch wie eine Puppe mit den langen Wimpern, den goldenen Ringellocken und der rosa angehauchten Porzellanhaut. Im Vergleich zu anderen Kindern höchst privilegiert – zumal im
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