Ein Daemon kommt selten allein
einen Bach, denn ich roch Feuchtigkeit. Die Grillen und alle anderen nachtaktiven Tiere schienen den Ort verlassen zu haben. Unheil lag in der Luft.
Das Ganze gefiel mir überhaupt nicht.
Dumpfe Schläge dröhnten durch die Nacht, wie auf Blech auftreffende Kanonenkugeln. Ich schluckte meine Angst hinunter und eilte an ein paar niedrigen Gräbern vorbei auf die Lärmquelle zu. Hinter einem Altar sah ich ihn – einen Schatten in einer Senke des Friedhofs.
In höchster Alarmbereitschaft schlich ich jenseits des Altars um eine Ansammlung siloartiger Mausoleen herum. Diese Grabstätten beherbergten die sterblichen Überreste etlicher Leitwölfe und ihrer Familien. Auf jedem Grabmal standen in Stein gemeißelte, gekrönte Halbmonde. Ich fuhr mit den Fingern über eine der Inschriften, die jedes der runden Mausoleen zierte. Wurde nie in eine Ecke gedrängt. Schön für sie, dass sie dieses Problem nicht kannten. Ich kannte es sehr wohl.
Hinter mir hatten sich mindestens ein Dutzend Werwölfe zusammengerottet. Als ich mich der Lärmquelle näherte, sah ich einen verbeulten Pferdeanhänger, der an einen dicken Baumstamm gekettet war. Er schwankte dermaßen, dass man meinen konnte, der Tasmanische Teufel persönlich würde im Inneren herumwirbeln.
Was sollte ich jetzt tun
Eine haarige, mit Krallen versehene Hand zerrte an dem winzigen, ganz oben angebrachten Fenster, dann war eine Schnauze zu erkennen.
Ich drehte mich zu einem finster blickenden Werwolf um, der hinter mir stand. »Erzähl mir nicht, dass das …«
Wir hörten ein hohes Surren, als ob achtzig Mixer gleichzeitig Eis zermahlten.
Der Boden bebte. Dimitri kam hinter dem Anhänger hervor und fuchtelte wild mit den Händen, während er auf uns zustürmte. »Zurück! Zurück! Zurück!« Er packte mich, riss mich mit, und wir fielen beide hinter die nächstbeste Leitwolf-Grabstätte.
Rote, heiße Luft schoss an uns vorbei, und ekelhafter Schwefelgeruch stieg mir in die Nase. Ich lag eingequetscht zwischen Dimitris warmem Körper und einem feuchten Flecken Gras, aber ehrlich gesagt machte mir das absolut nichts aus. Sein auf mir lastendes Gewicht erschwerte mir zwar ein wenig das Atmen, bereitete mir jedoch zugleich ein durch und durch wohliges Gefühl. Er wusste nicht, wie sehr ich mich freute, ihn zu sehen. Ich drückte ihn fest an mich, schloss die Augen und konzentrierte mich auf seinen tiefen, schweren Atem und seinen frischen Geruch nach Reinheit. Es war ein gutes Gefühl, einen Verbündeten zu haben.
Bevor ich mich versah, stand Dimitri auf. Er reichte mir, gegen den Staub in der Luft anblinzelnd, eine Hand, um mir auf die Füße zu helfen. Sämtliche Werwölfe lagen vor oder hinter uns im Gras.
»Sie sind betäubt.« Dimitri atmete geräuschvoll aus. »Das hoffe ich zumindest. Aber wie auch immer, wir müssen uns jetzt auf JR konzentrieren. Er wird ein paar Minuten brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen.«
Wir liefen zu dem Anhänger. Dimitris Finger tänzelten über die Schlösser, während er sie eines nach dem anderen aufriss.
Oh, oh. Vielleicht war das keine so gute Idee.
Dimitri drehte sich noch einmal zu den am Boden liegenden Werwölfen um. »Das Gleiche ist mir passiert, als wir JR in der Kneipe der Red Skulls gefunden haben. In einem Augenblick hatte ich ihn in der Küche in eine Ecke gedrängt, im nächsten lag ich platt auf dem Rücken, und mein Freund war drauf und dran, mir den Kopf abzureißen.«
Ich wünschte, ich wäre an diesem Morgen mit meiner Unterweisung schon weiter gewesen, damit ich mit ihm hätte zurück in die Trümmer gehen können. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er für seinen Freund riskiert hatte. »Ist da drinnen von JR noch irgendetwas übrig«
»Jetzt in diesem AugenblickKeine Ahnung.« Er sah mich an. »Ich gehe mal davon aus, dass ihn irgendetwas zurückhielt, bevor Scarlet ihren Paralysierungsfluch geschleudert hat.« Er schüttelte den Kopf, als ob er versuchte, die Erinnerung aus seinem Kopf zu verbannen. »Sie musste vier Gläser einsetzen, bis wir ihn am Boden hatten. Und selbst dann konnten wir ihm kaum die Silberketten anlegen, bevor er durchdrehte.«
Es hätte das letzte Mal sein können, Dimitri lebendig zu Gesicht zu bekommen. »Tut mir leid, dass ich dir über den Parkplatz gefolgt bin.«
»Mir tut es nicht leid.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. »Alles in allem war das das Beste, was mir an diesem Tag widerfahren ist.« Er riss das letzte Schloss auf. »Bist du
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