Ein delikater Liebesbrief
zu liefern, was zu einem kompletten Kostüm gehört. So braucht man sich vor dem Ankleiden nicht viele Gedanken zu machen.«
Darby erschauderte sichtlich und begann, den weizenfarbenen Handschuh von ihrer Rechten zu ziehen.
»Was machen Sie da?« Fassungslos sah Henrietta zu, wie ihre Hand entblößt wurde. »Slope kann jeden Moment mit dem Gärtner hereinkommen. Vielleicht sollten wir ihn jedoch vorher bitten, Lady Rawlings zu holen. Ich glaube nicht, dass sie uns das Gespräch mit dem Mann allein überlassen will.«
»Sie hat mich darum gebeten«, erklärte Darby. »In der Zwischenzeit möchte ich mich lediglich vergewissern, dass Ihre Finger nicht geschwollen sind. Denn der Schnitt Ihrer Handschuhe scheint mir Ihrer Gesundheit nicht zuträglich zu sein.« Er streichelte einen schlanken Finger. »Geschwollene Finger deuten nämlich auf eine ernste Krankheit hin.«
Es war überdeutlich, dass er mit ihr flirtete. Mit ihr , obwohl sie ihm doch freimütig zu verstehen gegeben hatte, dass sie niemals Kinder bekommen konnte. Henrietta konnte sich keinen Reim auf sein Verhalten machen.
»Sehen Sie?«, sagte er. »Wunderschöne schlanke Finger …« Sanft berührte er ihren Zeigefinger.
»Symmetrisch?« Sie zog eine Augenbraue hoch.
»Doch, ich denke, darauf können wir uns einigen. Tragen Sie keine Ringe?«
»Schmuck interessiert mich nicht sonderlich.«
»Wie schade«, sagte er zärtlich. »Doch ich selbst kann mit meiner Person als Schmuck dienen.«
Hatte sie ihn richtig verstanden? Wollte er damit sich selbst anbieten? Sie musste sich wohl verhört haben. Darby fuhr mit seinem Finger bis zu ihrer Fingerspitze und hinterließ eine kribbelnde Spur auf ihrer Haut, dann legte er seine Handfläche auf ihre.
»Sehen Sie?«, fragte er ernst. »Es gibt gewisse Momente, in denen Frauenfingern die Ergänzung durch eine Männerhand sehr gut steht.«
Henriettas Handfläche prickelte, es war einfach absurd. Sie zog ihre Hand fort, bevor er sie von Neuem berühren konnte, und sagte: »Mr Darby, geben Sie mir bitte meinen Handschuh wieder.«
Doch Darby tat ihr keineswegs den Gefallen. Stattdessen sah er sie mit seinen goldbraunen Augen an, in denen sie ein boshaftes schelmisches Funkeln gewahrte. »Und es gibt Momente – Stunden eigentlich –, wo besagte Ergänzung den Lippen einer Frau ebenfalls sehr gut steht, Henrietta.«
Sie blinzelte verblüfft. Wie konnte er es wagen, sie zu …?
Er senkte den Kopf.
Sein Mund war sehr warm. Das war der erste Schock. Henrietta erstarrte und fragte sich, was sie nur tun sollte. Zweifellos wurde sie gerade geküsst. Dies zu erkennen war der zweite Schock. Darby schien sich bestens zu amüsieren. Eine große Hand legte sich um ihren Nacken und er zog sie sanft an sich. Henriettas Gedanken rasten. Amüsierte sie sich ebenfalls? Dies war vielleicht der einzige Kuss, den sie je in ihrem Leben bekommen würde – sollte sie ihn vielleicht mehr genießen?
Eigentlich sollte sie ihn empört von sich stoßen. Seine Lippen brannten auf den ihren, und es war fast, als ob … es fühlte sich fast wie …
Er ließ sie los. »Ist dies Ihr erster Kuss gewesen?«
»Ja.« Empörte Sätze lagen ihr auf der Zunge, doch sie zögerte. Aber Darby hatte sich ja noch nie an ihrer Offenheit gestört. »Küsse werden im Grunde überbewertet, finden Sie nicht auch?« Sie lächelte ihn entwaffnend an. »Ich wollte Ihnen jedoch keinesfalls die Fähigkeiten auf diesem Gebiet absprechen, Mr Darby. Ich meinerseits bin leider für Leibesübungen gar nicht begabt.«
Das schien ihn zum Schweigen zu bringen. Sie konnte nur hoffen, dass er für seine Kusskunst nicht ebenso berühmt war wie für seine Modeansichten. »Dürfte ich jetzt bitte meinen Handschuh wiederhaben?«
Er reichte ihn ihr schweigend.
»Ich danke Ihnen.«
Henrietta hatte den Handschuh noch nicht ganz übergestreift, als Slope die Tür aufstieß. »Der Gärtner, Mr Darby. Sein Name ist Baring.«
Darby drehte sich nicht einmal um, sondern schaute Henrietta einfach an. Sein Blick war halb belustigt und halb fragend und brachte sie ganz durcheinander. Natürlich war ihre Aufregung auf den außergewöhnlichen Umstand zurückzuführen, dass ein Gentleman ihr auf solch bemerkenswerte Art Aufmerksamkeit schenkte. Es gab überhaupt keinen Grund, warum ihr Herz so rasch schlagen sollte, und es war erst recht sinnlos, sich zu fragen, ob er versuchen würde, ihr beide Handschuhe auszuziehen oder … sie erneut zu küssen.
Sie drehte sich um und
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