Ein deutscher Wandersommer
war: Es ist Sommer, heiß, den ganzen Tag hat man auf dem Feld gearbeitet, kommt abends staubig und verschwitzt nach Hause, möchte sich im schönsten See Norddeutschlands abkühlen, aber da steht direkt am Ufer ein drei Meter hoher Zaun.
»Das muss doch furchtbar gewesen sein, diesen wunderschönen See vor der Nase zu haben und nicht schwimmen gehen zu können«, fragte ich.
»Jungchen, jetzt ess erst mal deijnen Kuchen – oder schmeckt er nich?«, forderte Frau Jahns mich auf, bevor sie mit einem Schulterzucken meine Frage beantwortete:»Ach, weißte, da nahmen wir die beiden Töchter und fuhren zum Baden an die Ostsee.«
Keine Spur von Verbitterung, kein einziges böses Wort. Über so viel Gleichmut konnte ich nur staunen.
Für Frau Jahns war das alles längst vergangen und andere Dinge wichtiger.
»Du musst auch noch meine selbst gemachte Marmelade probieren«, verkündete sie. »Und das feine Hundchen kriecht ’n Stück Wurst – Hausschlachtung!«
Cleo war begeistert.
Nandu auf Angriff
Über den Bernstorfer und den Niendorfer Binnensee sowie den Dutzower See, die alle Teile des Schaalsees sind, und weiter über den Goldensee, den Lankower und Mechower See, um nur die größeren zu nennen, gelangten Cleo und ich an ein weiteres Kleinod: den Ratzeburger See, der wie weiter oben schon einmal erwähnt, ebenfalls zum Naturpark Lauenburgische Seen gehört. Seen, Seen, Seen, wohin man kommt. Um den Ort Ratzeburg, der am südlichen Ende mitten im See liegt und nur über drei Dammstraßen zu erreichen ist, mit seinem malerischen historischen Ortskern nicht zu verpassen, hatten wir am Südzipfel des Mechower Sees einen scharfen Haken nach Westen geschlagen und waren wieder einmal für ein Stück von der innerdeutschen Grenze abgewichen, die erst weiter im Norden auf den Ratzeburger See traf.
Wir hatten eine Art Endstimmung, freuten uns auf die Ostsee. Ich stellte mir bereits vor, wie es sein würde, dort oben anzukommen, uns in die Fluten zu stürzen und in die Lübecker Bucht hinauszuschwimmen. Auf der Kartehatte ich außerdem gesehen, dass es genau im Grenzgebiet einen FKK -Strand gab …
Nordöstlich des Ratzeburger Sees sahen wir auf einem abgeernteten Acker seltsame große Vögel stehen.
»Mensch, Cleo, guck mal, da sind tatsächlich Nandus«, sagte ich überrascht.
Ein paar Tage zuvor hatte uns ein Ornithologe erzählt, dass es in dieser Gegend eine Population dieser ursprünglich aus Argentinien stammenden großen, flugunfähigen Laufvögel gibt, was ich ihm nicht hatte glauben wollen.
Wir haben in Deutschland eigentlich ausreichend Artenvielfalt, auch schon genügend Neozoen, um auf weitere Neulinge verzichten zu können. Der Fasan zum Beispiel stammt ursprünglich aus Mittelasien. Wir haben in Köln große Populationen von Alexandersittichen, von der kleinen afroasiatischen Art, die man auch als Halsbandsittich kennt, und von der großen asiatischen Art. Grün mit auffallend rotem Schnabel sind sie jedenfalls beide. Irgendwann müssen jemandem ein paar entwischt sein; der Zoo behauptet, ihm nicht. Zunächst dachte man, dass sie den nächsten Winter nicht überleben würden. Ja, von wegen! Köln hat ein so mildes Klima, dass sich diese Sittiche prächtig vermehrt haben. Mittlerweile gibt es im Stadtgebiet stellenweise mehr Sittiche als Tauben. Auch in Wiesbaden, Heidelberg und anderen Orten sind sie heimisch. Und in Stuttgart leben Gelbkopfamazonen.
Die hübschen Vögel machen ziemlich viel Krach, was die direkten Nachbarn zuweilen nervt, als Art sind sie aber nicht wirklich ein Problem. Im Unterschied zu anderen Neozoen, die, wie schon in anderem Zusammenhang erwähnt, zur Plage werden und einheimische Arten regelrecht ausrotten können. Ein klassisches Beispiel für ein »gefährliches« Neozoon in Deutschland ist der nordamerikanische Waschbär. Er ist derart generalistisch, dass er ebenso in Gartenhäuschen oder Schuppen wie in den dunkelsten Wäldern des Sauerlands leben kann. Er kam erst in den 30er-Jahren des 20.Jahrhundert nach Deutschland, hat sich seither unkontrolliert ausgebreitet und mittlerweile viele einheimische Arten, wie Stein- und Baummarder, aus ihrem Lebensraum verdrängt – Letzteres allerdings wird von einigen Zoologen angezweifelt. Außerdem ist er sehr geschickt und vielfältig: Er plündert Bodennester, klettert auf Bäume und klaut Obst oder frisst Jungvögel. Bei dem ostasiatischen Marderhund oder Enok ist noch unklar, ob er heimische Arten gefährdet. Die ursprünglich
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