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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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Flusses leben müssen, sehr gering sind. Und weil die Binnenfischerei kein Zuckerschlecken ist, haben wir in Deutschland überwiegend Aquakulturen – das, was der Forellenpuff für den Sportangler ist, ist die Teichwirtschaft für den Binnenfischer: kontrollierte Aufzucht. Davon leben diejenigen, die Setzlinge ziehen, ob von Karpfen, Hechten, Forellen oder Zander, oder kleine Aale vor der Küste abfangen.
    »Und ihr setzt hier Glasaale aus?«, hakte ich zum Stichwort Aalreuse nach.
    »Nee, wieso? Der Schaalsee hat eine Verbindung zum Pfuhlsee, der hat eine zum Pipersee, und der eine zum Salemer See. Von dort geht der Schaalseekanal zum Großen Küchensee. Der ist zwar durch einen Damm vom Ratzeburger See getrennt, aber der Damm hat Durchlässe. Vom Ratzeburger See fließt die Wakenitz in die Trave. Und schon sind sie an der Ostsee. Und über denselben Weg, nur in umgekehrter Richtung, kommen die Nachkommen hierher.«
    Mit den Aalen hat es eine besondere Bewandtnis. Der Europäische Aal wird in der Sargassosee, in der Nähe der Bahamas, geboren. Vor dort machen sich die Larven, die aussehen wie kleine Weidenblätter, auf die drei Jahre dauernde Reise in die Nordsee oder weiter durch den Skagerrak und das Kattegat in die Ostsee. Hier angekommen, sind sie noch ganz durchsichtig, weshalb man sie Glasaale nennt. Von den Küsten aus wandern sie in die Flussmündungen, beispielweise von Elbe, Weser oder Trave, und von dort weiter ins Landesinnere, in kleinere Flüsse, in Bäche oder Seen (in dem Stadium nennt man sie Steigaale). Dabei nehmen sie die unmöglichsten Wege, ziehen durch kleine Entwässerungskanäle, überwinden Wehre, nutzen sogar feuchte Wiesen fürs Vorwärtskommen. Die nächsten Jahre bleiben die Aale im Süßwasser, wo sich der räuberische Breitkopfaal in erster Linie von Fischen, Fischlaich und Krebsen und der Spitzkopfaal vorwiegend von Pflanzen, Insektenlarven, Würmern, Muscheln und Schnecken ernährt. Wenn sie ihre Geschlechtsreife erreichen – bei Weibchen ist das mit zwölf bis 15, bei Männchen mit sechs bis neun Jahren der Fall – und vorher nicht in Jans Reuse oder am Haken eines Sportanglers landen, machen sie sich auf die Rückreise: den ganzen langen Weg zurück in die Saragossasee. Nach etwa eineinhalb Jahren, in denensie ausschließlich von ihren Fettreserven leben, erreichen sie ihre Geburtsstätte, paaren sich und laichen in bis zu 2000 Meter Tiefe ab, was im Übrigen beides noch nie gefilmt wurde, und sterben dann an Entkräftung. Sehr schräg.
    Durch das Abfangen großer Mengen Glasaale an der Küste, einen aus Asien eingeschleppten Parasiten, der die Schwimmblase schädigt, Umweltverschmutzung und Gewässerverbauung ist der Europäische Aal mittlerweile vom Aussterben bedroht. Man schätzt, dass es in spätestens dreißig Jahren keinen Aal mehr in europäischen Gewässern geben wird.
    »Wir haben übrigens ein Seeadlerbrutpaar am Schaalsee«, meinte Jan beiläufig.
    Als ich in Schleswig-Holstein meine Ausbildung machte, gab es dort nur zwei Brutpaare: eines bei Segeberg und eines am Selenter See. Ein kleiner Erfolg, denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Seeadler in ganz Westeuropa ausgerottet; das westlichste Vorkommen in Mitteleuropa war in Mecklenburg-Vorpommern mit seinen unzähligen Seen und in Brandenburg. Aufgrund verschiedener Schutzbemühungen erholte sich der Bestand bis Mitte des vorigen Jahrhunderts allmählich, nahm dann aber wieder rapide ab. Wie bei den Wanderfalken beschrieben, sorgte das ab Ende des Zweiten Weltkriegs massenhaft ausgebrachte DDT dafür, dass die Eischalen zu dünn wurden und es kaum mehr Nachkommen gab. Nach dem Verbot von DDT Anfang der 1970er-Jahre wuchs die Population wieder an, und die letzte Zählung in Deutschland im Jahr 2007 kam auf 575 Brutpaare!
    Der Seeadler ist der größte Greifvogel Mitteleuropas, größer als ein Steinadler. Die kleineren Männchen werden bis fünfeinhalb Kilogramm schwer, die Weibchen kommen auf ein Gewicht zwischen vier und sieben Kilogramm.Die Flügelspannweite eines großen Seeadlers kann bis knapp an zweieinhalb Meter heranreichen. Selbst auf große Entfernung sind sie – außer an ihrer Größe – an ihrem beinahe bulligen Körper, den brettartigen Schwingen, dem im Vergleich zu anderen Greifvögeln sehr großen Schnabel und den kräftigen Fängen meist gut erkennbar. Mit seinen gewaltigen Krallen kann der Seeadler selbst stattliche Karpfen aus dem Wasser holen und sogar Gänse schlagen.
    »Ich kann euch

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