Ein diplomatischer Zwischenfall
verstehe, was Sarah an ihm findet. Aber ich bin alt genug und habe genügend Erfahrung, um zu wissen, dass er nichts taugt. Trotzdem glaube ich, dass er auch ein paar gute Seiten hat«, fügte Mrs Lacey nachdenklich hinzu. »Er bat uns nämlich, seine Schwester mitbringen zu dürfen. Sie ist operiert worden und lag im Krankenhaus. Es sei so traurig für sie, wenn sie über Weihnachten in der Klinik bleiben müsse, meinte er. Er fragte, ob es zu viel Umstände machen würde, wenn sie mit bei uns wäre, und versprach, ihr alle Mahlzeiten selbst hochzutragen. Das finde ich zweifellos nett von ihm. Meinen Sie nicht auch, Monsieur Poirot?«
»Diese Besorgnis«, erwiderte dieser nachdenklich, »passt kaum zu seinem Charakter.«
»Oh, ich weiß nicht. Man kann doch sehr an der Familie hängen und andererseits den Wunsch haben, ein junges reiches Mädchen zu heiraten. Sie müssen wissen, dass Sarah einmal sehr reich sein wird. Sie wird nicht nur das Geld erben, das wir ihr hinterlassen. Das wird nicht allzu viel sein, weil der größte Teil des Geldes zusammen mit diesem Besitz hier unserem Enkel Colin vermacht wird, aber Sarah wird das außerordentlich große Vermögen ihrer Mutter erben, wenn sie volljährig wird. Sie ist jetzt zwanzig Jahre alt…. Nein, ich finde es wirklich nett von Desmond, dass er an seine Schwester gedacht hat. Er gab auch nicht vor, dass sie etwas Außergewöhnliches sei. Ich vermute, sie ist Stenotypistin. Außerdem hat er sein Wort gehalten. Er trägt stets das Essen zu ihr hoch, natürlich nicht immer, aber doch meistens. Daher glaube ich, dass er auch seine guten Seiten hat. Trotzdem will ich nicht, dass Sarah ihn heiratet.«
»Nach dem, was ich gehört habe und was mir berichtet worden ist, wäre es tatsächlich ein Unglück«, meinte Poirot.
»Glauben Sie, dass Sie uns helfen können?«
»Ich denke schon, aber ich will nicht zu viel versprechen, denn Leute wie Lee-Wortley gehen bestimmt raffiniert vor, Madame. Verzweifeln Sie nicht. Vielleicht lässt sich etwas machen. Auf alle Fälle werde ich mein Bestes versuchen, schon aus Dankbarkeit. Sie waren so liebenswürdig, mir zu erlauben, das Weihnachtsfest bei Ihnen zu verbringen.« Er sah sich um. »Hoffentlich wird die Festtagsstimmung nicht beeinträchtigt.«
»Ja«, seufzte Mrs Lacey und beugte sich vor. »Wissen Sie, Monsieur Poirot, wovon ich schon lange träume – ich meine, was ich mir wünsche?«
»Es würde mich interessieren, Madame.«
»Ich wünsche mir einen Bungalow, so ein kleines, modernes Haus, das leicht in Ordnung zu halten ist und hier im Park steht, das eine moderne Küche und keine langen Korridore hat, in dem alles bequem und einfach ist.«
»Das ist eine gute Idee, Madame.«
»Nein, für mich nicht. Mein Mann liebt unser Haus über alles. Er lebt ausgesprochen gern hier. Ihm macht es nichts aus, wenn es für ihn unbequem und unpraktisch ist. Er fände es abscheulich, in einem Bungalow leben zu müssen.«
»Sie ordnen sich also seinen Wünschen unter?«
Mrs Lacey richtete sich auf.
»Ich ordne mich nicht unter, Monsieur Poirot. Ich habe meinen Mann mit dem Wunsch geheiratet, ihn glücklich zu machen. Er war mir immer ein guter Ehemann und hat mich all die Jahre hindurch glücklich gemacht.«
»Sie werden also weiter hier wohnen bleiben?«
»So ungemütlich ist es nun auch wieder nicht.«
»Nein, nein«, sagte Poirot hastig. »Im Gegenteil, es ist sehr gemütlich hier. Ich bin ganz begeistert von Ihrer Zentralheizung und dem warmen Wasser im Bad.«
»Wir haben eine Menge Geld ausgegeben, um dieses Haus gemütlich zu machen. Wir haben ein Stück Land verkauft. Es war baureif und brachte einen guten Erlös.«
»Aber woher nehmen Sie das Personal, Madame?«
»Das Problem ist leichter zu lösen, als Sie glauben. Natürlich wurde man früher besser bedient als heute. Aber aus dem Dorf kommen verschiedene Leute, die mir helfen. Zwei Frauen kommen morgens, zwei kochen das Mittagessen und waschen ab, und ein paar andere sind abends da. Die Frauen kommen gern, weil sie nur ein paar Stunden am Tag arbeiten. Zu Weihnachten haben wir besonderes Glück. Meine liebe Mrs Ross kommt jedes Jahr und hilft uns. Sie ist eine großartige Köchin – sie kocht ganz erstklassig. Vor zehn Jahren gab sie ihre Stelle bei uns auf, aber sie hilft weiterhin aus. Und dann haben wir das Prachtstück Peverell.«
»Ihren Butler?«
»Ja. Er ist pensioniert und wohnt in dem kleinen Häuschen in der Nähe der Portierwohnung. Er liebt uns
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