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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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und trug die bewusstlose Miss Greenshaw nach unten in den Salon. Dann verkleidete sie sich wieder als Miss Greenshaw und ging nach draußen, um im Steingarten zu arbeiten, wo du sie vom Fenster aus sehen konntest. Nach einer gewissen Zeit stieß sie einen Schrei aus und kam wankend auf das Haus zu, während sie mit den Händen einen Pfeil umklammerte und so tat, als habe er ihre Brust durchdrungen. Sie rief um Hilfe, wobei sie sorgsam darauf achtete, zu sagen: › Er hat auf mich geschossen‹, um jeden Verdacht von der Haushälterin abzulenken. Sie rief auch einige Worte zum Fenster der Haushälterin hinauf, als habe sie sie dort gesehen. Sobald sie dann im Salon war, stieß sie einen Tisch mit Porzellan um und rannte flink nach oben, wo sie ihre Pompadourperücke aufsetzte und wenige Augenblicke später den Kopf zum Fenster hinausstreckte, um dir zu sagen, dass sie auch eingeschlossen sei.«
    »Aber sie war tatsächlich eingeschlossen«, erinnerte Lou.
    »Ich weiß. Aber da springt eben der Polizist ein.«
    »Was für ein Polizist?«
    »Ganz richtig – was für ein Polizist? Inspektor, dürfte ich Sie vielleicht bitten, mir zu sagen, wie und wann Sie am Tatort eingetroffen sind?«
    Der Inspektor blickte ein wenig überrascht.
    »Um zwölf Uhr neunundzwanzig erhielten wir einen telefonischen Anruf von Mrs Cresswell, Haushälterin bei Miss Greenshaw, mit der Meldung, dass ihre Herrin erschossen worden sei. Sergeant Cayley und ich fuhren sofort im Wagen dorthin und kamen um zwölf Uhr fünfunddreißig beim Haus an. Wir fanden Miss Greenshaw tot auf, und die beiden Damen waren in ihren Zimmern eingeschlossen.«
    »Da siehst du es also, liebes Kind«, wandte sich Miss Marple an Lou. »Der Polizist, den du sahst, war gar kein richtiger Polizist. Du hast auch gar nicht mehr an ihn gedacht. Das ist ganz natürlich; auf eine Uniform mehr oder weniger kommt es in solchen Fällen nicht an.«
    »Aber wer? Warum?«
    »Wer? Nun, wenn sie in Boreham on Sea jetzt gerade das Stück A Kiss for Cinderella geben, spielt ein Polizist die Hauptrolle. Nat Fletcher brauchte sich nur die Uniform anzueignen, die er auf der Bühne trägt. Dann konnte er sich bei der Garage nach dem Weg erkundigen und dabei die Aufmerksamkeit auf die Zeit – zwölf Uhr fünfundzwanzig – lenken, rasch weiterfahren, den Wagen an der Ecke stehen lassen, sich seine Polizistenuniform überziehen und seine ›Rolle‹ spielen.«
    »Aber warum – warum?«
    »Na, irgendjemand musste doch die Tür der Haushälterin von außen schließen, und irgendjemand musste den Pfeil Miss Greenshaw in die Brust stoßen. Man kann einen Menschen mit einem Pfeil ebenso gut erstechen wie erschießen – dazu gehört aber Kraft.«
    »Sie waren also beide daran beteiligt?«
    »Oh, das ist anzunehmen. Mutter und Sohn, höchstwahrscheinlich.«
    »Aber Miss Greenshaws Schwester ist doch schon vor langer Zeit gestorben.«
    »Ja, aber Mr Fletcher hat zweifellos wieder geheiratet. Nach den Schilderungen lässt sich das wohl annehmen. Ich halte es für durchaus möglich, dass das Kind ebenfalls starb und dieser so genannte Neffe das Kind der zweiten Frau und somit überhaupt kein Verwandter von Miss Greenshaw ist. Die Frau bewarb sich um den Posten als Haushälterin und spionierte aus, wie die Dinge lagen. Dann schrieb der Sohn an Miss Greenshaw als ihr Neffe und schlug vor, ihr einen Besuch abzustatten – vielleicht hat er im Scherz erwähnt, dass er in seiner Polizistenuniform erscheinen würde, oder er lud sie ein, sich das Stück anzusehen. Aber ich glaube, sie hat wohl den wahren Sachverhalt erraten und sich geweigert, ihn zu sehen. Er wäre ihr Erbe gewesen, wenn sie ohne Testament gestorben wäre. Aber sobald sie natürlich ein Testament zu Gunsten der Haushälterin – wie sie annahmen – gemacht hatte, lag der Weg klar vor ihnen.«
    »Aber warum haben sie dann einen Pfeil verwendet?«, warf Joan ein. »Das erscheint mir so gesucht?«
    »Durchaus nicht, liebes Kind. Alfred gehörte zu einem Bogenschützenclub – und Alfred sollte die Schuld aufgehalst werden. Dass er schon um zwölf Uhr zwanzig das Gasthaus erreicht hatte, war vom Standpunkt dieser beiden höchst unglückselig. Er ging ja immer ein wenig vor seiner eigentlichen Zeit fort, und das wäre gerade richtig für sie gewesen.« Kopfschüttelnd fügte sie hinzu: »Es erscheint wirklich ungerecht – im moralischen Sinne, meine ich natürlich – , dass Alfreds Faulheit ihm das Leben gerettet hat.«
    Der Inspektor

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