Ein diskreter Held
weißen Strähnen auf seinem länglichen Schädel schauten die Altersflecken hervor, Falten zogen sich über Stirn und Hals, das ganze Gesicht hatte etwas von Niederlage. Nur gekleidet war er mit der üblichen Eleganz: blauer Anzug, frisch gebügeltes Hemd, Krawatte mit goldener Nadel, Einstecktüchlein.
»Bist du verrückt geworden, Ismael?«, entfuhr es Rigoberto, als er, etwas spät, auf die Neuigkeit reagierte. »Willst du wirklich heiraten? In deinem Alter?«
»Es ist eine wohlüberlegte Entscheidung«, hörte er ihn sehr bestimmt sagen. »Ich habe sie getroffen, auch wenn ich genau weiß, was über mich hereinbrechen wird. Ich muss dir nicht erst sagen, dass du, wenn du mein Trauzeuge bist, auch Schwierigkeiten bekommst. Aber was rede ich, das weißt du zur Genüge.«
»Wissen sie schon Bescheid?«
»Frag nicht so einen Unsinn, bitte.« Sein Chef wurde ungeduldig. »Die Zwillinge werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um die Ehe annullieren und mich für unzurechnungsfähig erklären zu lassen, mich in die Klapsmühle zu schicken und was sonst noch alles. Wer weiß, vielleicht beauftragen sie einen Killer. Narciso und du werdet ihrem Hass genauso zum Opfer fallen, ganz sicher. Das alles weißt du, und trotzdem hast du ja gesagt. Ich habe mich also nicht geirrt. Du bist der ehrliche,großzügige und uneigennützige Mensch, für den ich dich immer gehalten habe. Danke, mein Freund.«
Er streckte die Hand aus, fasste Rigoberto am Arm und drückte ihn einen Moment liebevoll.
»Sag mir wenigstens, wer die Glückliche ist«, sagte Rigoberto und schob sich die Gabel in den Mund. Der Appetit war ihm vergangen.
Diesmal lächelte Ismael richtig und sah ihn spitzbübisch an. Ein maliziöses kleines Leuchten flackerte in seinen Pupillen.
»Nimm erst mal einen Schluck, Rigoberto. Wenn du schon bei der Nachricht von meiner Hochzeit so blass wirst, bekommst du noch einen Herzinfarkt, wenn ich es dir sage.«
»So hässlich ist diese Mitgiftjägerin?« Nach all dem Vorgeplänkel war seine Neugier nicht zu bremsen.
»Armida«, sagte Ismael und betonte jede Silbe. Er schien auf seine Reaktion zu warten wie ein Entomologe auf die eines Insekts.
Armida? Armida? Er ging alle seine Bekannten durch, aber zu diesem Namen passte keine.
»Kenne ich sie?«, fragte er schließlich.
»Armida«, sagte Ismael noch einmal, musterte ihn und maß ihn grinsend. »Du kennst sie gut. Du hast sie tausendmal bei mir zu Hause gesehen. Nur dass du nie auf sie geachtet hast. Wer achtet schon auf Hausangestellte.«
Die Gabel, wieder mit einem Stück Seebarsch, entglitt seinen Fingern und fiel auf den Boden. Während er sich bückte, um sie aufzuheben, spürte er, wie sein Herz immer kräftiger schlug. Er hörte seinen Chef lachen. War das möglich? Wollte er sein Dienstmädchen heiraten? Gab es so etwas nicht nur in den Telenovelas? Meinte Ismael es ernst oder nahm er ihn auf den Arm? Er hörte schon das Gerede, die Spekulationen, die Witze, die das Lima des Klatsches aufheizten. Die Leute würden ihren Spaß haben.
»Irgendwer spinnt hier«, grummelte er. »Du oder ich. Oder wir beide, Ismael.«
»Sie ist eine gute Frau, und wir lieben uns«, sagte sein Chefohne die geringste Verlegenheit. »Ich kenne sie seit langem. Sie wird mir eine hervorragende Begleiterin im Alter sein, glaub mir.«
Jetzt, ja, jetzt sah Rigoberto sie, erschuf sie für sich, erfand sie: eine hübsche Dunkle, mit tiefschwarzen Haaren, lebhaften Augen. Eine von der Küste, keck, schlank, nicht allzu klein. Eine recht vorzeigbare Chola. Er muss vierzig Jahre älter sein als sie, dachte er, wenn der Abstand nicht noch größer ist. Ismael hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
»Wenn du dir vorgenommen hast, auf deine alten Tage im aufsehenerregendsten Skandal in der Geschichte Limas die Hauptrolle zu spielen, nur zu«, seufzte er. »Wer weiß, für wie viele Jahre du das Stadtgespräch sein wirst, vielleicht für Jahrhunderte.«
Ismael lachte nun wie erlöst.
»Jetzt weißt du es, Rigoberto«, rief er. »Ehrlich gesagt, es ist mir nicht leichtgefallen. Ich gestehe, ich hatte unendliche Zweifel. Ich habe mich zu Tode geschämt. Als ich es Narciso erzählte, hat er die Augen tellerweit aufgerissen und sich fast verschluckt. Egal, du weißt es. Es wird ein Riesenskandal, und mir ist es schnuppe. Bist du immer noch mein Trauzeuge?«
Rigoberto wiegte den Kopf. Ja, sicher, wenn Ismael ihn darum bat, wie sollte er da nicht zusagen. Aber … Himmel noch eins, er
Weitere Kostenlose Bücher