Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
sie geschlagen, misshandelt.« Galgenvögel, das war das Wort. Vielleicht hatten Clotilde und Ismael sie zu sehr verwöhnt, vielleicht hatten sie nie Grenzen gezogen. Sie hätten ihnen ihre dummen Scherze nicht immer verzeihen sollen, jedenfalls nicht so rasch. Die Scherze der Zwillinge! Unfälle, weil sie betrunken und unter Drogen Auto fuhren, Schulden, die sie auf den Namen des Vaters machten, falsche Belege, die sie im Büro anfertigten, als es Ismael dummerweise einfiel, sie in die Firma zu holen, damit sie sich an die Realitäten des Berufsleben gewöhnten. Für Rigoberto waren sie ein Albtraum gewesen. Persönlich musste er seinen Chef über die Heldentaten der beiden Brüderchen informieren. Sie hatten sogar die Portokasse geleert. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, zum Glück. Ismael warf sie hinaus und zog es vor, ihnen ihren Müßiggang zu finanzieren. Ihr Sündenregister war schier endlos. So schrieben sie sich zum Beispiel an der Universität von Boston ein, und ihre Eltern waren glücklich. Monate später fand Ismael heraus, dass sie nie auch nur einen Fuß auf den Campus gesetzt hatten, dass sie sich das Geld für die Einschreibung und den Unterhalt in die eigene Tasche steckten und Zensuren und Anwesenheitsnachweise fälschten. Einer der beiden – Miki? Schlaks? – hatte in Miami einen Fußgänger angefahren und galt in den Vereinigten Staaten als flüchtig, weil er sich, als man ihn vorläufig freiließ, nach Lima absetzte. Falls er zurückkehrte, würde man ihn einsperren.
    Nach Clotildes Tod gab Ismael sich geschlagen. Sollten sie doch tun, wozu sie Lust hatten. Er hatte ihnen einen Teil des Erbes ausbezahlt, damit sie es anlegten, wenn sie wollten, oder auf den Kopf hauten, was sie dann natürlich taten, auf einer Reise durch Europa, wo sie sich ein schönes Leben machten. Sie waren mittlerweile gestandene Männer, um die vierzig. Ihr alter Herr wollte einfach keinen Ärger mehr haben mit diesen Unverbesserlichen. Und jetzt das! Natürlich würden sie versuchen, die Ehe annullieren zu lassen, wenn es denn so weit kam.Niemals würden sie sich ein Erbe entgehen lassen, auf das sie mit kannibalischem Heißhunger schon warteten. Er malte sich aus, was für eine Mordswut sie bekämen. Ihr Vater verheiratet mit Armida! Mit seinem Dienstmädchen! Mit einer Chola! Innerlich musste er lachen: Ja, was für ein Gesicht sie machen würden. Und was für ein Riesenskandal. Er hörte, sah, roch schon den Strom an Gerede, Spekulationen, Witzen, Lügengeschichten, die durch die Telefonleitungen von Lima rauschten. Er konnte es kaum abwarten, die Neuigkeit Lucrecia zu erzählen.
    »Verstehst du dich gut mit Fonchito?«, riss die Stimme seines Chefs ihn aus seinen Überlegungen. »Wie alt ist dein Sohn jetzt? Vierzehn oder fünfzehn, nicht?«
    Rigoberto erschauerte bei dem Gedanken, Fonchito könnte einmal einen ähnlichen Weg einschlagen wie Ismaels Söhne. Zum Glück machte der Junge sich nicht viel aus billigen Vergnügungen.
    »Ich verstehe mich recht gut mit ihm«, antwortete er. »Und Lucrecia noch besser. Fonchito mag sie nicht mehr und nicht weniger, als wäre sie seine Mutter.«
    »Da hast du Glück, die Beziehung zwischen einem Kind und seiner Stiefmutter ist nicht immer einfach.«
    »Er ist ein guter Junge«, sagte Rigoberto. »Fleißig, brav. Aber etwas einsam. Wie alle Jugendlichen macht er eine schwierige Phase durch. Er verkriecht sich zu sehr. Ich würde mir wünschen, er könnte leichter Freundschaften schließen, würde rausgehen, mit Mädchen flirten, auf Partys.«
    »Genau das haben die Hyänen gemacht in seinem Alter«, seufzte Ismael. »Auf Partys gehen, sich amüsieren. Besser so, wie es ist, mein Lieber. Es war die schlechte Gesellschaft, die meine Kinder verdorben hat.«
    Rigoberto war schon versucht, Ismael von dem Unfug zu erzählen, den Fonchito mit ihnen trieb, von dieser Person, Edilberto Torres, den er und Lucrecia den Teufel nannten, aber er beherrschte sich. Wozu auch, wer weiß, wie er es aufgenommen hätte. Am Anfang waren sie belustigt gewesen überdie angeblichen Erscheinungen dieses Kerls und hatten sich sogar über die schillernde Fantasie des Jungen gefreut, fest davon überzeugt, es sei wieder eins dieser Spielchen, mit denen er sie gerne überraschte. Aber jetzt machten sie sich Sorgen und überlegten schon, ihn zu einem Psychologen zu schicken. Wirklich, er musste noch einmal das Kapitel über den Teufel in Thomas Manns Doktor Faustus lesen.
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher