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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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schwöre ich dir. Denn als ich hörte, wie sie diese Ungeheuerlichkeiten sagten, regte sich in mir ein unglaublicher Wille, weiterzuleben. Ihnen nicht dieFreude zu machen und zu sterben. Und glaub mir, mein Körper reagierte. Dort, noch in der Klinik, habe ich es beschlossen. Wenn ich wieder auf die Beine komme, heirate ich Armida. Bevor die mich fertigmachen, mache ich sie fertig. Sie wollen Krieg? Sollen sie haben. Und das werden sie auch, mein Guter. Ich sehe schon ihre Gesichter.«
    Die Bitterkeit, die Enttäuschung, die Wut sprachen nicht nur aus seinen Worten und seiner Stimme, auch aus seiner Miene, der Mund verzogen, die Hände um die Serviette gekrallt.
    »Es kann eine Sinnestäuschung gewesen sein, ein Albtraum«, sagte Rigoberto, ohne selber daran zu glauben. »Dein Körper war vollgepumpt mit Medikamenten, vielleicht hast du das alles nur geträumt, Ismael. Du hast deliriert, ich habe es selber gesehen.«
    »Ich wusste genau, dass meine Söhne mich nie geliebt haben«, fuhr sein Chef fort, ohne mit einem Wort auf ihn einzugehen. »Aber nicht, dass sie mich derart hassten. Dass sie so weit gingen, meinen Tod zu wünschen, um mich zu beerben. Und dann natürlich zu verprassen, wofür mein Vater und ich uns so viele Jahren abgerackert haben. Nein, das wusste ich nicht. Den Hyänen drehe ich den Spieß um, das kannst du mir glauben.«
    Hyänen, ja, das passte zu Ismaels Sohnemännern, dachte Rigoberto. Ein paar schöne Früchtchen waren das. Hingen nur rum, machten einen drauf, echte Nichtsnutze, zwei Schmarotzer, die den Namen ihres Vaters und ihres Großvaters entehrten. Warum waren sie so geraten? Nicht weil es an Zuneigung und Aufmerksamkeit der Eltern gefehlt hätte, nein, ganz im Gegenteil. Ismael und Clotilde hatten sich immer für sie aufgeopfert, hatten alles getan, um ihnen die beste Erziehung angedeihen zu lassen. Sie träumten davon, zwei richtige kleine Gentlemen aus den beiden zu machen. Wie waren sie nur zu so niederträchtigen Typen geworden? Überraschend wäre es nicht, wenn sie dieses Gespräch am Bett ihres sterbenden Vaters geführt hätten. Noch dazu waren sie dumm wie Stroh, sie hatten nicht einmal daran gedacht, dass er sie hören konnte.Zuzutrauen war es ihnen, wenn nicht Schlimmeres. Rigoberto wusste es sehr gut, in all den Jahren durfte er, der Vertraute, seinen Chef immer wieder trösten, wenn es um die Schandtaten seiner Jungs ging. Was Ismael und Clotilde alles gelitten hatten bei den Skandalen, die sie schon als junge Spunde auslösten.
    Sie waren auf die beste Schule Limas gegangen, hatten Privatlehrer gehabt für die Fächer, in denen sie nicht mitkamen, hatten Sommerkurse in den USA und in England besucht. Sie lernten Englisch, sprachen aber ein Spanisch von Analphabeten, gespickt mit diesem ganzen schrecklichen Slang, den die Jugend von Lima verwendete, hatten in ihrem Leben noch kein Buch gelesen und vielleicht nicht einmal eine Zeitung, wahrscheinlich kannten sie die Namen der lateinamerikanischen Hauptstädte nur zur Hälfte, und das erste Jahr auf der Universität hatte keiner der beiden bestanden. Ihr gewalttätiges Debüt gaben sie noch als Jugendliche, als sie dieses Mädchen vergewaltigten, das sie bei einem Volksfest aufgegabelt hatten, in Pucusana. Floralisa Roca hieß die Kleine, ein Name wie aus einem Ritterroman. Schlank, ziemlich hübsch, erschrockene und verweinte Augen, ein zarter Körper, der vor Angst zitterte. Rigoberto erinnerte sich gut an sie. Sie ging ihm nicht aus dem Sinn, und noch heute plagte ihn das schlechte Gewissen, denn es war eine hässliche Rolle, die er in der Sache hatte spielen müssen. Nun sah er alles wieder vor sich: Anwälte, Ärzte, Polizeiberichte, verzweifelte Bemühungen, damit weder La Prensa noch El Comercio die Namen der Zwillinge erwähnten. Er selbst hatte mit den Eltern des Mädchens gesprochen, beide aus Ica und schon älter, und es kostete fast fünfzigtausend Dollar, damals ein Vermögen, um sie zu beschwichtigen und zum Schweigen zu bringen. Das Gespräch mit Ismael in jenen Tagen war ihm noch sehr präsent. Sein Chef hatte sich das Hirn zermartert und ihn mit Tränen in den Augen und stockender Stimme gefragt: »Was haben wir nur falsch gemacht, Rigoberto? Was haben Clotilde und ich getan, dass Gott uns so bestraft? Wie können wir solche Galgenvögel als Kinder haben? Sie bereuen nicht einmal ihre schreckliche Tat! Sie gebendem armen Mädchen die Schuld, stell dir vor! Sie haben sie nicht nur vergewaltigt. Sie haben

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