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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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lange.«
    Felícito ging hinaus auf die Avenida Sánchez Cerro, und nahe dem Großmarkt fand er einen Laden. Er musste warten, bis ein paar Ingenieure einen Stapel Pläne kopiert hatten, undbeschloss, sich nicht weiter der Befragung durch den Sergeanten auszusetzen. Er gab die Kopie dem jungen Polizisten am Meldetisch, und statt zurück zu seinem Büro zu gehen, stürzte er sich wieder ins Zentrum der Stadt, die jetzt voller Menschen war, Gehupe, Hitze, Lautsprecher, Motorradtaxis, Autos und rumpelnder Karren. Er überquerte die Avenida Grau, ging im Schatten der Tamarinden an der Plaza de Armas entlang und schlug, der Versuchung widerstehend, auf ein Früchtesorbet ins El Chalán zu gehen, die Richtung zum alten Schlachthofviertel ein, das Viertel seiner Jugendzeit, La Gallinacera, unten am Fluss. Er flehte zu Gott, dass Adelaida in ihrem Laden war. Es würde ihm guttun, mit ihr zu sprechen, würde sein Gemüt aufhellen, und wer weiß, vielleicht konnte die Santera ihm ja einen Rat geben. Die Sonne brannte schon vom Himmel, und dabei war es nicht einmal zehn Uhr. Er spürte, wie ihm der Schweiß auf der Stirn stand, im Nacken ein glühendes Eisen. Er beeilte sich, mit kurzen, raschen Schritten, stieß gegen die Leute, die sich auf den engen Bürgersteigen drängten, es roch nach Pisse und Fettgebratenem. Aus einem aufgedrehten Radio tönte Salsa.
    Manchmal sagte sich Felícito, und er hatte es auch zu seinen Söhnen gesagt und zu Gertrudis, seiner Frau, dass Gott, um seine Mühen und Opfer zu belohnen, ihm zwei Personen über den Weg geschickt hatte, den Krämer Lau und die Wahrsagerin Adelaida. Ohne die beiden wäre es ihm nie so gut ergangen. Weder wäre er geschäftlich so weit vorangekommen, noch hätte er eine ehrbare Familie gegründet, auch hätte er nicht diese eiserne Gesundheit. Er war keiner, der leicht Freundschaften schloss. Seit eine Darminfektion den armen Lau ins Jenseits befördert hatte, blieb ihm nur noch Adelaida. Zum Glück war sie da, hinter der Theke ihres kleinen Ladens für Kräuter, Heilige, Kurzwaren und allen möglichen Krempel, und sah sich die Bilder in einer Illustrierten an.
    »Tag, Adelaida«, grüßte er sie und streckte die Hand aus. »Schlag ein. Wie gut, dass ich dich antreffe.«
    Sie war eine alterslose Mulattin, untersetzt, vollbusig, mitbreitem Hintern und langen gekräuselten Haaren, die ihr über die Schultern strichen, wenn sie über den gestampften Lehmboden ihres kleinen Ladens lief, immer barfuß und in diesem ewigen, bis zu den Knöcheln reichenden rotbraunen Hemdkleid oder Gewand aus Leinen. Ihre Augen waren riesig und schienen mehr zu durchbohren als zu schauen, gemildert durch einen sympathischen Gesichtsausdruck, der den Menschen Vertrauen einflößte.
    »Wenn du mich besuchen kommst, ist dir etwas Schlimmes passiert. Oder es wird dir passieren«, lachte Adelaida und klopfte ihm auf die Schulter. »Sag schon, was ist das Problem, Felícito?«
    Er gab ihr den Brief.
    »Das hing heute Morgen an meiner Haustür. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe bei der Polizei Anzeige erstattet, aber ich glaube, das hätte ich mir sparen können. Der Typ, der die Anzeige aufgenommen hat, hat mir kaum zugehört.«
    Adelaida befühlte den Brief und roch daran, sog den Geruch ein, als wäre es ein Parfüm. Dann hielt sie sich das Papier an den Mund, und Felícito kam es vor, als lutschte sie an einem Zipfelchen.
    »Lies ihn mir vor, Felícito«, sagte sie und gab ihm den Brief zurück. »Ich sehe schon, ein Liebesbriefchen ist das nicht, che guá .«
    Sehr ernst hörte sie zu, während er vorlas. Als er zum Ende kam, zog sie ein spöttisches Gesicht und breitete die Arme aus:
    »Was soll ich dazu sagen, Schätzchen?«
    »Sag mir, ob das ernst gemeint ist, Adelaida. Ob ich mir Sorgen machen muss oder nicht. Oder ob mir bloß jemand einen Streich spielen will.«
    Die Santera ließ ein Lachen erschallen, dass die ganze Fülle ihres Körpers unter dem weiten rotbraunen Gewand erbebte.
    »Ich bin nicht Gott, sonst könnte ich es dir sagen«, rief sie, hob immer wieder die Schultern und schwang ihre Arme.
    »Hast du keine Eingebung, Adelaida? In den fünfundzwanzig Jahren, die ich dich kenne, hast du mir nie einen schlechtenRat gegeben. Alle sind mir nützlich gewesen. Ich weiß nicht, was aus meinem Leben geworden wäre ohne dich, meine Liebe. Könntest du mir jetzt nicht auch einen geben?«
    »Nein, Schätzchen, keinen«, erwiderte Adelaida und tat betrübt. »Ich habe keine

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