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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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nicht«, sagte die Frau schließlich, mit rauer Stimme, als wollte ihr die Kehle nicht gehorchen. Sie deutete auf den roten Lkw, den Felícito am Straßenrand abgestellt hatte.
    »Ich soll nicht in meinen Lastwagen steigen?«, fragte er verwirrt. »Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?«
    Adelaida entließ ihn für einen Moment aus ihrem Blick und schaute sich um, als fürchtete sie, die anderen Fahrer, Kunden oder Besitzer der Läden und kleinen Bars der Siedlung könnten sie hören.
    »Ich habe eine Eingebung«, sagte sie mit leiser Stimme und immer noch verzerrtem Gesicht. »Ich kann es Ihnen nicht erklären. Glauben Sie einfach, was ich Ihnen sage, bitte. Steigen Sie besser nicht ein.«
    »Haben Sie Dank für Ihren Rat, Señora, Sie meinen es sicher gut. Aber ich muss mir mein Geld verdienen. Ich bin Fahrer, ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt mit der Fahrerei, Doña Adelaida. Wie sollen meine Frau und meine zwei kleinen Kinder sonst etwas zu essen haben?«
    »Dann seien Sie wenigsten vorsichtig«, bat ihn die Frau und senkte den Blick. »Hören Sie auf mich.«
    »Das tue ich, Señora, versprochen. Ich fahre immer vorsichtig.«
    Anderthalb Stunden später, in einer Kurve der unbefestigten Landstraße, unter einer dichten, graugelben Staubwolke, kam der Bus der Gesellschaft Das Kreuz von Chalpón auf ihnzugeschlittert und krachte in seinen Lkw, mit einem donnernden Lärm von Blech, Bremsen, Schreien und Reifenquietschen. Felícito hatte gute Reflexe und schaffte es, so weit auszuweichen, dass der vordere Teil des Wagens noch von der Piste abkam, so dass der Bus gegen die Kipplade schlug, was ihm das Leben rettete. Aber bis die Knochen seines Rückens, der Schulter und des rechten Beins zusammengeflickt waren, lag er unbeweglich in einem Gipsbett, das ihm nicht nur Schmerzen bereitete, sondern auch ein wahnsinniges Jucken. Als er sich schließlich wieder ans Steuer setzen konnte, fuhr er als Erstes zum Kilometer fünfzig. Adelaida erkannte ihn sofort.
    »Sieh an, was für eine Freude, dass es Ihnen wieder gut geht«, sagte sie zur Begrüßung. »Ein leckeres Maispastetchen und eine Brause, so wie immer?«
    »Ich bitte Sie, um alles in der Welt, sagen Sie mir, woher Sie wussten, dass dieser Bus in mich krachen würde, Señora Adelaida. Ich kann seither an nichts anderes mehr denken. Sind Sie eine Hexe, eine Heilige oder was?«
    Er sah, wie die Frau bleich wurde und nicht wusste, was sie mit ihren Händen tun sollte. Sie hatte den Kopf gesenkt, offenbar verwirrt.
    »Ich wusste nichts davon«, stammelte sie, ohne ihn anzuschauen. »Ich hatte eine Eingebung, das ist alles. Das passiert mir manchmal, warum, weiß ich nie. Ich suche nicht danach, che guá . Das schwöre ich. Es ist ein Fluch, der über mich gekommen ist. Ich mag es nicht, dass der liebe Gott mich so gemacht hat. Ich bete jeden Tag zu ihm, dass er mir diese Gabe wieder nimmt. Es ist schrecklich, glauben Sie mir. Damit fühle ich mich schuld an allem, was den Leuten passiert.«
    »Aber was haben Sie denn gesehen, Señora? Warum haben Sie mir an dem Tag gesagt, ich soll nicht in meinen Lastwagen steigen?«
    »Ich habe nichts gesehen, ich sehe nie, was geschehen wird. Ich hatte nur eine Eingebung. Dass Ihnen, wenn Sie in den Lastwagen steigen, etwas passieren kann. Was, wusste ich nicht. Ich weiß nie, was genau passiert. Nur dass es Dinge gibt, dieman besser nicht tun sollte, weil sie schlimme Folgen haben. Essen Sie jetzt Ihr Pastetchen und trinken eine Inca Kola?«
    Damals hatten sie sich angefreundet, und bald duzten sie sich. Seit Adelaida die Siedlung bei Kilometer fünfzig verlassen und ihren kleinen Laden für Kräuter, Kurzwaren, Krimskrams und religiöse Bildchen in der Umgebung des ehemaligen Schlachthofs aufgemacht hatte, kam Felícito wenigstens einmal in der Woche vorbei, um mit ihr zu plaudern. Fast immer brachte er ihr ein kleines Geschenk mit, eine Süßigkeit, ein Törtchen, Sandalen, und beim Abschied drückte er ihr dann einen Schein in ihre harten, schwieligen Hände. Alle wichtigen Entscheidungen, die er in diesen über zwanzig Jahren getroffen hatte, hatte er zuvor mit ihr beraten, vor allem seit der Gründung von Transportes Narihualá: die finanziellen Verbindlichkeiten, die er einging, die Lkws, Busse und Autos, die er nach und nach kaufte, die Geschäftsräume, die er anmietete, die Fahrer, Mechaniker und Angestellten, die er einstellte oder entließ. Meist lachte Adelaida über seine Fragen. »Was soll ich schon davon wissen,

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