Ein Doppelleben im Kosmos
Bevölkerungsfragen sowie das Außenministerium hatten wir behelfsmäßig besetzt. Die Männer, die diese Posten in der späteren Dauerregierung bekleiden sollten, wurden alle für den Wahlkampf gebraucht.
»Ja, ja, es ist Ihre zweite Garnitur. Hmmm ... Und was ist mit diesem Braun?«
Ich war sehr überrascht. Ich hatte angenommen, Willem werde die Liste ohne weiteres billigen und vielleicht über andere Dinge plaudern wollen. Vor der Unterhaltung hatte ich keine Angst gehabt. Ein Mann kann einen Ruf als glänzender Gesellschafter bekommen, wenn er nur den anderen dauernd reden läßt.
Lothar Braun war als »aufstrebender junger Staatsmann« bekannt. Was ich über ihn wußte, stammte aus den Farley-Akten und von Rog und Bill. Er war in Erscheinung getreten, als Bonforte seinerzeit aus seinem Amt ausgeschieden war, hatte daher niemals irgendeinen Ministerposten bekleidet, sondern als Parteiführer und Erzieher des Nachwuchses gearbeitet. Bill hatte behauptet, Bonforte wolle Braun rasch fördern, und er solle in der Interimsregierung seine Schwingen erproben. Er schlug ihn als Minister für auswärtige Beziehungen vor.
Rog Clifton schien Bedenken zu haben. Er hatte zuerst den Namen des vorgesehenen Stellvertretenden Ministerpräsidenten, Angel Jesus de la Torre y Perez, eingesetzt. Aber Bill hatte geltend gemacht, daß, wenn Braun nichts tauge, jetzt Gelegenheit sei, dies festzustellen, ohne daß irgendein Schaden angerichtet würde.
»Braun?« erwiderte ich. »Er ist ein kommender junger Mann. Sehr begabt.«
Willem äußerte sich dazu nicht weiter, sondern sah wieder auf die Liste. Ich versuchte mich genau zu erinnern, was Bonforte in der Farley-Akte über Braun gesagt hatte. »Glänzend begabt ... arbeitsam ... analytischer Geist!« Hatte er irgend etwas gegen ihn gesagt? Nein ... oder doch vielleicht: »Eine Spur zu liebenswürdig.« Das verurteilt einen Mann nicht. Aber Bonforte hatte gar nichts gesagt über so positive Tugenden wie Loyalität und Ehrenhaftigkeit. Das konnte bedeutungslos sein, daß die Farley-Akten keine Charakterstudien waren, sondern nur Tatsachen verzeichneten.
Der Kaiser legte die Liste beiseite. »Haben Sie die Absicht, Joseph, die Marssippen sofort in das Reich aufzunehmen?«
»Bestimmt nicht vor der Wahl, Majestät.«
»Ich meine natürlich nach der Wahl. Und haben Sie vergessen, mich Willem zu nennen? Daß ein Mann, der sechs Jahre älter ist als ich, Majestät zu mir sagt, ist albern.«
»Gut, Willem.«
»Wir wissen beide, daß ich mich angeblich nicht um Politik kümmere, aber wir wissen auch, daß diese Annahme töricht ist. Sie haben die Jahre, in denen Sie nicht im Amt waren, dazu benutzt, eine Situation herbeizuführen, in der es den Marssippen wünschenswert erscheinen muß, endgültig in das Reich aufgenommen zu werden.« Er deutete mit dem Daumen auf meine Marswaffe. »Ich glaube, Sie haben es geschafft. Wenn Sie also in dieser Wahl siegen, werden Sie das Parlament dahin bringen können, daß es mir die Erlaubnis gibt, diesen Anschluß zu verkünden, nicht wahr?«
Ich überlegte. »Sie wissen, Willem«, sagte ich langsam, »daß wir genau das beabsichtigt hatten. Sie müssen irgendeinen Grund haben, diese Sache zur Sprache zu bringen.«
Er leerte sein Glas und sah mich mit einer Miene an wie ein Kolonialwarenhändler in Neuengland, der einen Sommergast auf Herz und Nieren prüft. »Fragen Sie mich um meinen Rat? Die Verfassung bestimmt, daß Sie mir raten sollen, nicht umgekehrt.«
»Mir ist Ihr Rat willkommen, Willem. Ich verspreche nicht, ihn zu befolgen.«
Er lachte. »Sie versprechen verflucht selten etwas. Also gut. Nehmen wir an, daß Sie die Wahl gewinnen und in Ihr Amt zurückkehren, aber mit so geringer Mehrheit, daß Sie vielleicht Schwierigkeiten haben, bei der Abstimmung für die Marssippen die vollen Bürgerrechte durchzubringen. In diesem Falle würde ich Ihnen nicht raten, die Vertrauensfrage zu stellen. Wenn Sie unterliegen, nehmen Sie die Niederlage hin, und bleiben Sie im Amt, die ganze Amtsperiode über.«
»Warum, Willem?«
»Weil wir beide, Sie und ich, geduldige Männer sind. Sehen Sie das?« Er deutete auf das Wappen seines Hauses. »Je maintiendrai. Ich werde es bewahren. Das ist kein aufregendes Motto, aber es ist ja auch nicht die Aufgabe eines Kaisers, aufregend zu sein. Seine Aufgabe ist es, zu bewahren, standhaft zu sein, sich einzufügen. Verfassungsmäßig gesehen, kann es mich nicht kümmern, ob Sie im Amt bleiben oder nicht. Aber
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