Ein Earl kommt selten allein (German Edition)
seit Christiana denken konnte. Und wenn sie auch ihre Zofe war, war sie gleichzeitig auch ein Teil ihrer Familie. Christiana liebte die ältere Frau, und sie wusste, dass ihre Liebe und Fürsorge erwidert wurde. Das war der einzige Grund, warum die Zofe das Gefühl hatte, so frei reden zu können.
Glücklicherweise schien Richard dies zu verstehen, denn er nickte Grace respektvoll zu. »Du hast recht. Ich bin derjenige, der letzte Nacht entschieden hat, dass diese Heirat auch weiterhin Bestand haben würde.« Er wandte sich wieder Christiana zu. »Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, dass du noch Jungfrau warst, aber ich wusste, dass die Ehe wahrscheinlich nicht legal war und dass du ein bisschen betrunken warst. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass sich die Situation so entwickelt, wie sie es dann getan hat.«
Christiana starrte ihn mit großen Augen an. Dicky hatte nie die Verantwortung für seine Taten oder Fehler übernommen. Er hatte immer sämtliche Fehler oder Affronts auf andere geschoben, gewöhnlich auf sie. Soweit sie es sagen konnte, war sie an allem schuld gewesen, ob er über seine eigenen Füße stolperte oder ob es regnete.
»Nun, und was wollen Sie jetzt diesbezüglich tun, Mylord?«, fragte Grace abrupt, während Christiana Richard nur weiter anstarrte.
»Wir werden eine neue Zeremonie durchführen, um sicherzugehen, dass die Verbindung legal ist«, verkündete er ernst. »Wir können die Notwendigkeit damit erklären, dass wir unsere Schwüre erneuern wollen.«
»Nun, Gott sei gedankt.« Grace drehte sich unvermittelt um und ging zur Tür. »Ich sollte jetzt besser gehen und Langley und Lisa sagen, dass es Ihnen gut geht.«
»Dass es ihr gut geht?«, fragte Richard stirnrunzelnd.
Grace nickte. »Sie sind jetzt schon sehr lange hier oben. Der junge Robert hat sich Sorgen gemacht, daher habe ich angeboten nachzusehen, ob alles in Ordnung ist, und Bescheid zu sagen.«
Christiana sah, dass Gereiztheit in Richards Gesicht aufflackerte, aber dann brummte er nur und wartete, bis die Zofe gegangen war. Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, sah er Christiana an und lächelte schief und entschuldigend. »Tut mir leid. Ich hatte dich nicht gefragt, ob du bereit bist, die Ehe bestehen zu lassen. Bist du bereit? Willst du mich heiraten?«
Sie blinzelte überrascht. Christiana war es nicht gewohnt, über solche Dinge nachzudenken, und abgesehen davon war es nicht so, als hätte sie wirklich eine Wahl. Sie hatten die Ehe bereits vollzogen, ob sie nun legal war oder nicht.
Offenbar wertete er ihr Schweigen als Zögern, denn er kniete sich vor sie hin und ergriff ihre Hände. »Ich habe genug gehört, um zu begreifen, dass dieses letzte Jahr mit George schlimm gewesen ist. Aber ich verspreche dir, ich bin nicht wie er. Ich werde dir ein guter Gemahl sein. Ich werde …«
Christiana legte ihm die Hand auf den Mund, um ihn am Weitersprechen zu hindern. Als er die Stirn runzelte, seufzte sie und sagte: »Dicky hat – ich meine George. George hat mir vor unserer Heirat viele Versprechungen darüber gemacht, was für ein wunderbarer Gemahl er sein würde und was für ein herrliches Leben wir zusammen haben würden … und er hat jedes Versprechen gebrochen. Es wäre mir lieber, du würdest mir keine machen. Lügen sind leicht ausgesprochen. Taten sind aussagekräftiger.«
»Also schön. Keine Versprechungen«, pflichtete Richard ihr bei, als sie ihre Hand wieder von seinem Mund löste. »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Möchtest du die Heirat bestehen lassen und die Zeremonie noch einmal durchführen?«
Christiana lächelte bei diesen Worten schief. Seine ersten Fragen
Bist du bereit?
und
Willst du mich heiraten?
wären leichter zu beantworten gewesen. Sie hatte nicht groß die Wahl, wenn sie einen Skandal vermeiden wollte. Aber dieses
Möchtest du die Heirat bestehen lassen und die Zeremonie noch einmal durchführen?
war sehr viel komplizierter.
Christiana war so verwirrt, dass sie nicht wusste, was sie wollte. Sicherlich wirkte Richard netter als George, aber trotz der Dinge, die sie in der vergangenen Nacht in diesem Raum getan hatten, war er im Grunde ein Fremder für sie, und schließlich hatte auch George vor der Hochzeit nett gewirkt. Wie sollte sie wissen, ob sich Richard nicht auch in ein kontrollierendes und kritisierendes Ungeheuer verwandeln würde, kaum dass sie die Schwüre wiederholt hatten? Sie konnte es nicht wissen, und sie hatte Angst, darauf zu
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