Ein Earl kommt selten allein (German Edition)
aus dem Haus. Es wurde Zeit, dass er beerdigt wurde. Und dass sie ihn endlich loswurden, dachte sie unglücklich.
Natürlich bedeutete das, dass sie stattdessen den richtigen Richard Fairgrave heiraten würde, den Earl von Radnor, aber selbst nach den letzten zwei Tagen war bereits klar, dass er nicht so war wie sein Bruder. Er hatte nicht ein einziges Mal versucht, über sie zu bestimmen. Es hatte noch nicht einmal eine Auseinandersetzung gegeben, weil er im Gästezimmer hatte schlafen müssen, obwohl sie damit gerechnet hatte. Er hatte sie auch noch kein einziges Mal kritisiert, sondern ihr im Gegenteil eine Handvoll Komplimente gemacht, und diese Handvoll war bereits mehr als das, was sie während ihrer Ehe von Dicky erhalten hatte. Viele dieser Komplimente waren ein Teil ihrer leidenschaftlichen Nacht gewesen, was ihre Glaubwürdigkeit ein bisschen infrage stellte. Aber eines hatte er ihr an dem Abend auf dem Ball gemacht, als sie sich kennengelernt hatten, und am nächsten Morgen hatte er sie mit einem anderen begrüßt, als er gesagt hatte, dass sie sehr viel hübscher aussehen würde, wenn sie ihr Haar nicht auf ihre übliche strenge Weise trug, sondern locker und weich fallend. Wichtiger noch war, dass er ihre Meinung zu respektieren schien. Schon zweimal hatte er Langley vertraut, weil sie es gesagt hatte, und das war für sie sehr bedeutsam. Sie hatte sich immer für eine verhältnismäßig intelligente und verständige junge Frau gehalten, aber George hatte sie dazu gebracht, sich dumm und unbeholfen vorzukommen. Richard war ganz anders.
»Es überrascht mich, dass du stickst«, sagte Richard plötzlich. »Nach allem, was Langley mir gesagt hat, hast du dich früher, während du aufgewachsen bist, auf dem Rücken eines Pferds oder bei anderen körperlichen Betätigungen wohler gefühlt.«
»Ja.« Sie lächelte schwach bei dem Gedanken an ihre Kindheit, und erklärte: »Robert war oft bei uns, als wir aufgewachsen sind. Wir sind immer irgendwo herumgerannt, gesprungen oder geritten und was sonst noch alles. Ich fürchte, meine Schwestern und ich waren nie so richtig an den eher damenhaften Beschäftigungen wie« – sie sah auf den Stoff in ihrer Hand hinunter und zog ein Gesicht – »Handarbeit interessiert.«
»Und doch tust du es jetzt«, bemerkte er.
»Dicky – ich meine George …«
»Du kannst ihn Dicky nennen, wenn du willst«, unterbrach er sie sanft. »Es stört mich nicht, solange du
mich
nie wieder Dicky nennst. Es war Georges Spitzname für mich, den ich immer gehasst habe.«
Christiana nickte, sagte aber nur: »Er hat darauf bestanden, dass ich sticken lerne und mich anderen damenhafteren Beschäftigungen widme. Er sagte, ich wäre zu widerspenstig und müsste Disziplin lernen. Handarbeiten würden mir das beibringen.«
»Was für ein kontrollierender Idiot«, schnaubte Richard angewidert, dann beugte er sich plötzlich vor und riss ihr den Stoff aus der Hand.
»Richard!«, schrie sie überrascht und stand halb von ihrem Platz auf, um ihn sich zurückzuholen. »Gib mir das wieder.«
Er hielt den Stoff einfach nur noch ein Stück höher über ihren Kopf und fragte: »Tust du es gern, oder tust du es nur, weil er es gesagt hat und es eine Gewohnheit geworden ist?«
»Ich – äh …« Sie runzelte die Stirn und murmelte: »Es wird mir sicher nicht schaden zu lernen, mich wie eine richtige Dame zu verhalten. Mutter ist kurz nach Lisas Geburt gestorben, und ich fürchte, Vater hat uns ein bisschen zu viel durchgehen lassen. Wir haben nicht das gelernt, was die meisten Mädchen lernen.«
»Das beantwortet aber meine Frage nicht. Tust du es gern?«, wiederholte er und packte sie am Arm, um sie zu stützen, als sie durch eine Furche in der Straße holperten.
»Nein«, gab sie mit einem Seufzer zu. »Ich mag es überhaupt nicht.«
»Das dachte ich mir«, sagte er trocken, öffnete das Fenster und warf die Stickerei nach draußen.
Christiana starrte dem flatternden Stoff hinterher, dann drehte sie sich verwundert zu ihm um. »Ich kann nicht glauben, dass du das gerade getan hast.«
»Du solltest es aber glauben«, sagte Richard ernst. »Du musst nie wieder sticken, wenn es dir nicht gefällt. Ich werde nicht versuchen, dich zu verändern. Du kannst bei mir du selbst sein.«
Sie starrte ihn einen Moment lang an, dann schluckte sie einen Kloß hinunter, der sich plötzlich in ihrer Kehle gebildet hatte, und schüttelte den Kopf. »Du kennst mich nicht. Was ist, wenn es dir nicht
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