Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
weil ihm gar nicht klar gewesen war, wie gut er sie schon kannte - und das machte ihn unbeschreiblich froh.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du gelächelt hast“, meinte sie, verhüllte sich wieder mit dem Laken und steckte es unter ihrem Arm fest.
„Ich habe gedacht“, sagte er, „es gefällt mir, dass dein Haar nicht lang genug ist, um deine Brüste zu bedecken.“
Diesmal konnte er sehen, wie sie errötete, selbst im Dunkeln.
„Du wolltest es ja wissen“, murmelte er.
Sie verfielen in einvernehmliches Schweigen, doch bald bemerkte Daniel, wie sich auf Annes Stirn Sorgenfalten bildeten. Er war nicht überrascht, als sie leise fragte: „Wie geht es denn jetzt weiter?“
Er wusste, was sie beschäftigte, aber er weigerte sich, der Realität ins Auge zu blicken. Zumindest für diesen Moment. Wenn sie aneinandergekuschelt in seinem Himmelbett lagen, die Vorhänge geschlossen, war es leicht, den Rest der Welt auszublenden. Doch der nächste Tag würde kommen, und mit ihm all die Gefahren und Grausamkeiten, die sie bis an diesen Punkt geführt hatten.
„Ich werde Sir George Chervil einen Besuch abstatten“, sagte er schließlich. „Es wird wohl nicht weiter schwer sein, seine Adresse herauszufinden.“
„Und ich?“ Sie klang ängstlich.
„Du bleibst hier“, erwiderte Daniel entschieden. Er konnte kaum fassen, dass sie glaubte, er würde ihr erlauben, irgendwo anders hinzugehen.
„Und was willst du deiner Familie sagen?“
„Die Wahrheit.“ Als er sah, wie sich ihre Augen erschrocken weiteten, fügte er schnell hinzu: „Einen Teil davon. Niemand braucht zu erfahren, wo genau du die Nacht verbracht hast, aber ich werde meiner Mutter und meiner Schwester erklären müssen, wie es kommt, dass du hier bist und nicht mal Kleider zum Wechseln dabei hast. Außer dir fällt eine glaubwürdige Geschichte ein.“
„Einverstanden, sag ihnen, was du für richtig hältst“, stimmte sie zu.
„Honoria kann dir ein paar Sachen leihen, meine Mutter wird als Anstandsdame fungieren, und dann ist nichts dagegen einzuwenden, dass du in eines unserer Gästezimmer ziehst.“
Einen Augenblick wirkte sie so, als wollte sie protestieren oder einen anderen Plan vorschlagen. Aber am Ende nickte sie nur.
„Gleich nachdem ich mich um Chervil gekümmert habe, besorge ich mir eine Sonderlizenz“, fuhr Daniel fort.
„Eine Sonderlizenz?“, wiederholte Anne. „Sind die nicht furchtbar teuer?“
Er rutschte ein wenig dichter an sie heran. „Glaubst du wirklich, dass ich die übliche Verlobungszeit abwarten kann?“
Sie begann zu lächeln.
„Glaubst du denn wirklich, dass du warten könntest?“, fügte er hinzu.
„Du hast aus mir ein liederliches Weib gemacht“, stellte sie fest.
Er zog sie an sich. „Im Moment bringe ich nicht die Energie auf, mich zu beklagen.“
Als er sie küsste, hörte er sie flüstern: „Ich auch nicht.“
Alles würde gut werden. Wie könnte es anders sein, mit einer solchen Frau in den Armen?
20. Kapitel
Nachdem er Anne am nächsten Tag offiziell als Gast bei sich einquartiert hatte, machte Daniel sich auf, um Sir George Chervil einen Besuch abzustatten.
Wie erwartet, war es nicht schwer gewesen, seine Adresse ausfindig zu machen. Er wohnte in Marylebone, nicht weit vom Stadthaus seines Schwiegervaters am Portman Square. Daniel kannte Viscount Hanley, Daniel war sogar mit zwei von Hanleys Söhnen in Eton gewesen. Die Verbindung ging nicht tief, aber die Familie würde wissen, wer er war. Wenn Chervil sich nicht auf der Stelle entschuldigte und schwor, Anne niemals wieder zu behelligen, würde ein Besuch bei seinem Schwiegervater - der zweifellos die Finanzen kontrollierte und dem vermutlich auch das hübsche Stadthäuschen gehörte, dessen Stufen Daniel gerade emporstieg - die Sache sicher zu seiner Zufriedenheit regeln.
Kurz nachdem er an die Haustür geklopft hatte, wurde Daniel in einen Salon geführt, der ganz in gedämpftem Grün und Gold gehalten war. Ein paar Augenblicke später kam eine Frau herein. Aus ihrem Alter und ihrer Kleidung schloss er, dass es sich um Lady Chervil handeln musste, die Tochter von Viscount Hanley, die George Chervil statt Anne geheiratet hatte.
„Mylord“, sagte Lady Chervil und knickste anmutig. Sie war recht hübsch, hatte hellbraune Locken und einen klaren, samtweichen Teint. Annes dramatischer Schönheit konnte sie nicht das Wasser reichen, aber welche Frau könnte das schon? Und Daniel war vielleicht eine Spur
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