Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
war und die Arme gereckt hatte, vollführte einen regelrechten Hechtsprung.
Jeder versuchte das Messer in seinen Besitz zu bringen bis auf Hugh, der, von allen unbeachtet, in der Tür stand und seine Waffe beinahe gelangweilt auf George richtete.
„Ich an Ihrer Stelle würde das nicht tun“, sagte Hugh, doch George nahm das Messer trotzdem und setzte sich auf Anne, die immer noch auf dem Boden lag und sich nach dem Messer streckte, es aber um wenige Zoll verfehlt hatte.
„Wenn Sie jetzt schießen, stirbt sie“, sagte George und hielt die Klinge gefährlich nahe an Annes Kehle.
Daniel, der sich schon auf ihn werfen wollte, kam schlitternd zum Stehen. Er legte seine Waffe auf den Boden und schob sie mit dem Fuß von sich.
„Gehen Sie zur Seite“, brüllte George und hielt das Messer wie einen Hammer. „Na los!“
Daniel nickte, trat mit erhobenen Händen einen Schritt zurück. Anne lag mit dem Bauch auf dem Boden, George saß rittlings auf ihr, in der einen Hand das Messer, mit der anderen packte er Anne an den Haaren. „Tun Sie ihr nicht weh, Chervil“, warnte Daniel. „Es würde Ihnen leidtun.“
„Ah, da täuschen Sie sich aber. Mir täte das keineswegs leid.“ Er tippte mit der Klinge an Annes Wange.
Daniel drehte sich der Magen um.
Doch Chervil hatte sie nicht verletzt. Allerdings schien er seine Macht zu genießen. Er riss noch heftiger an Annes Haar, bis er ihren Kopf in einem sehr unbequem wirkenden Winkel nach oben gezogen hatte.
„Sie werden sterben“, versprach Daniel ihm.
George zuckte mit den Achseln. „Sie auch.“
„Was ist mit Ihrer Frau?“
George sah ihn scharf an.
„Ich habe heute Morgen mit ihr gesprochen“, erklärte Daniel und ließ George dabei nicht aus den Augen. Eigentlich hätte er Anne ansehen wollen, hätte ihr unbedingt in die Augen sehen wollen. Er hätte ihr sagen können, dass er sie liebte, auch ohne Worte. Sie würde es wissen, er brauchte sie dazu nur anzusehen.
Doch er wagte es nicht. Solange er George Chervil anschaute, schaute George Chervil ihn an. Und nicht Anne. Oder das Messer.
„Was haben Sie zu meiner Frau gesagt?“ Über Georges Gesicht wanderte ein Ausdruck leisen Unbehagens.
„Sie hat auf mich einen reizenden Eindruck gemacht“, meinte Daniel. „Ich frage mich, was wohl mit ihr geschehen wird, wenn Sie hier sterben, in einem Gasthaus, unter den Händen von zwei Earls und dem Sohn eines Marquess?“
George zuckte zusammen, als er den Kopf zu Hugh wandte, den er erst jetzt erkannte. „Aber Sie hassen ihn doch“, sagte er zu Hugh. „Er hat Sie angeschossen.“
Hugh machte eine wegwerfende Handbewegung.
George wurde bleich, murmelte einen Fluch in sich hinein und fragte dann ungläubig: „Zwei Earls?“
„Wir haben einen zweiten mitgebracht“, erklärte Daniel. „Für alle Fälle.“
George begann schwer zu atmen, sein Blick huschte von Daniel zu Hugh und hin und wieder hinab zu Anne. Daniel konnte sehen, dass er angefangen hatte zu schwitzen. Er kam allmählich an seine Grenzen, und das war immer gefährlich.
Für alle.
„Lady Chervil wird ruiniert sein“, sagte Daniel. „Aus der Gesellschaft ausgestoßen. Nicht einmal ihr Vater wird sie noch retten können.“
George begann zu zittern. Endlich erlaubte Daniel sich, Anne einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. Sie atmete stoßweise, war offenbar sehr verängstigt, und doch, als sich ihre Blicke trafen ... Ich liebe dich.
Es war, als hätten sie es beide laut ausgesprochen.
„Die Welt ist nicht nett zu Frauen, die ihr Heim verloren haben“, fuhr Daniel leise fort. „Fragen Sie nur Anne.“
George begann zu wanken; Daniel erkannte es in seinem Blick. „Wenn Sie sie gehen lassen“, versprach er, „dürfen Sie am Leben bleiben.“
Er würde weiterleben, aber bestimmt nicht in England. Dafür würde Daniel schon sorgen.
„Und meine Frau?“
„Die Erklärungen überlasse ich Ihnen.“
George ruckte mit dem Kopf, als wäre ihm der Hemdkragen zu eng geworden. Er blinzelte heftig, und dann schloss er einen winzigen Augenblick die Augen, und ...
„Er hat auf mich geschossen! Oh Gott, er hat auf mich geschossen!“
Daniel wirbelte herum, als ihm klar wurde, dass Hugh gefeuert hatte. „Bist du verrückt geworden?“, fuhr er ihn an, noch während er zu Anne rannte, um sie von George wegzuziehen, der nun, schreiend vor Schmerz, auf dem Fußboden herumrollte und seine blutende Hand umklammerte. Er hatte das Messer losgelassen, das Daniel nun schnell an sich
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