Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
dauern. Die Witterung variierte: Manchmal blieb es den ganzen Tag über düster; an anderen Tagen, wenn Neuschnee lag, versengte einem der Sonnenglast die Augen. Die Leute liefen ständig mit zusammengekniffenen Augen herum - entweder um im Halbdunkel etwas zu erkennen, oder weil sie das grelle Licht blendete.
Heute war ein trüber Tag, der schmutzig graue Himmel drohte, sich jeden Augenblick in Schnee aufzulösen. Rebus steckte die Hände in die Taschen und spürte das Papiertütchen. Auf der Gorgie Road hatte er eine Eisenwarenhandlung gefunden und war von dort zu einem Fachgeschäft dirigiert worden, wo er sich einen Ventilschlüssel für die Heizkörper besorgt hatte. Jetzt sah er sich um, fand das Haus, nach dem er suchte, und stieg die Stufen zur Eingangstür hinauf.
»Tag, Sir«, sagte Siobhan Clarke, die ihm auf sein Klopfen hin geöffnet hatte. »Wie geht es Ihnen?«
Rebus drängte sich an ihr vorbei ins Haus. Drinnen war es nicht viel wärmer als draußen. Im Wohnzimmer war Brian Holmes gerade dabei, eine CD-Sammlung durchzusehen.
»Was gefunden?«, fragte Rebus.
Holmes stand auf. »Es gibt ein paar Zeitungen mit Artikeln über den Kirstie-Kennedy-Fall. Dadurch sind sie wahrscheinlich auf die Idee gekommen. Keinerlei Anzeichen dafür, dass das Mädchen je hier gewesen ist. Ziemlich unwahrscheinlich, dass sie sich mit solchen Pennern einlassen würde. Sie ist ein Lyzeummädchen; Willie und Dixie waren typische Hauptschüler.«
»Sieht wie ein ausgemachter Schwindel aus, Sir«, pflichtete ihm Clarke bei.
Rebus hatte sich währenddessen umgesehen. Jetzt wandte er sich an Clarke. »Angenommen, Sie sind ein Mädchen aus gutem Hause: gute Schule, angenehme Verhältnisse. Angenommen, Sie wollen von zu Haus weg und einfach für eine Weile verschwinden, vielleicht auch für immer. Würden Sie sich mit Leuten aus Ihrer eigenen Schicht zusammentun oder lieber in die Niederungen begeben, wo keiner Sie kennt und niemand sich um Sie schert?«
»Sie meinen, zu Typen wie Willie und Dixie?«
Rebus zuckte die Schultern. »Ich denke nur laut nach. Wenn Sie mich fragen, würde ich sagen, sie hat das getan, was jeder schottische Ausreißer tut: Ist runter nach London.«
»Gott steh ihr bei«, sagte Holmes leise.
»Also, sind Sie hier fertig?«
»Nein, Sir.«
»Dann lassen Sie sich nicht aufhalten. Und wenn Sie diesen Heizofen in Gang bringen, helfe ich sogar ein bisschen mit.«
Brian Holmes kramte in seinen Taschen nach Kleingeld für den Stromzähler, und dann machten sie sich alle an die Arbeit.
Es gab zwei Schlafzimmer, das eine aufgeräumt, mit gemachtem Bett, das andere ein Schweinestall.Wie ein neben dem Bett liegendes Schreiben vom Sozialamt bestätigte, gehörte das ordentliche Zimmer Willie Coyle. In einem Regal standen Bücher, größtenteils brandneu. Rebus fragte sich, welcher Buchladen in letzter Zeit wohl über schwindende Bestände zu klagen gehabt hatte. Er zog etwas mit dem Titel Trainspotting heraus und sah, dass hinter den Büchern irgendwelche Papiere versteckt waren: Computerausdrucke, an einer Ecke zusammengeheftet und mit professionell aussehenden Tabellen und Diagrammen bedeckt. Es schien sich dabei um einen Geschäftsbericht oder etwas in der Art zu handeln.
Holmes sah seinem Vorgesetzten über die Schulter. »Erzählen Sie mir jetzt nicht, dass Willie Unternehmer war!«
Rebus zuckte mit den Schultern, rollte aber dann den Bericht zusammen und steckte ihn sich in die Tasche.
»Hier!«, rief Siobhan Clarke. Als sie zu ihr traten, zog sie bereits ihren Fund unter Dixie Taylors Bett hervor: drei noch originalverpackte Einwegspritzen, eine zu einem Stummel heruntergebrannte Kerze und ein an der Unterseite geschwärzter Teelöffel.
»Von Horse allerdings keine Spur«, sagte sie, indem sie aufstand und sich die Haare glatt strich.
»Ich schau unterm anderen Bett nach«, meinte Holmes.
Rebus lächelte. »›Horse‹?«, fragte er. »Was haben Sie denn für Bücher gelesen?« Dann wurde er wieder ernst. »Wir sollten besser Verstärkung anfordern und die Bude gründlich unter die Lupe nehmen lassen.«
»Ja, Sir.«
Als Rebus allein im Zimmer war, nahm er die Spritzen genauer unter die Lupe. Die Verpackung war mit einer dünnen Staubschicht bedeckt, und im Löffel lagen Staubflusen. Dixie hatte sein Besteck offenbar seit längerer Zeit nicht mehr benutzt. Rebus ging ins Badezimmer und sah sich nach Methadon oder sonstigen Entwöhnungsmitteln um. Er fand allerdings nur Grippepulver,
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