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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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dieses Mal hatte der Feind nichts damit zu tun. Das heißt, nicht unmittelbar. Außerdem war Chris lange vor unserem Anschlag auf die Turner Street tot gewesen. Chris war aus mehreren Gründen gestorben. Einer davon war, dass wir ihn in der Hölle allein gelassen hatten.
    Jetzt standen wir neben ihm und schwiegen. Überraschenderweise, ohne dass es das wirklich war, war es schließlich Robyn, die etwas tat. Sie ging zum Landrover und kehrte mit einer Decke wieder. Sie sprach immer noch kein Wort. Sie breitete die Decke neben Chris aus und rollte ihn behutsam darauf. Dabei weinte sie schluchzend. Durch ihren Körper ging ein ununterbrochenes Beben; es fiel ihr schwer, ihn ordentlich einzupacken, trotzdem wickelte sie ihn fest in die Decke, nicht sanft und ängstlich, wie ich das getan hätte. Ihre Tätigkeit, die so entschlossen wirkte, brachte uns dann auch in Bewegung. Wir halfen ihr, packten Chris gut ein und schlugen die Decke an seinem Kopf und an seinen Füßen ein. Dann ging Fi mit der Taschenlampe voran, während Robyn, Homer, Lee und ich jeder eine Ecke packten und Chris zum Landrover trugen. Wir machten im Stauraum Platz für ihn und schoben ihn dann ungeschickt hinein, obwohl wir unser Bestes taten, ihn nirgends anstoßen zu lassen. Wir waren einfach zu müde. Schließlich stiegen wir wieder in den Wagen, kurbelten wegen des Geruchs die Fenster herunter und fuhren los. Noch immer hatte keiner etwas gesagt. Wir hatten nicht einmal darüber geredet, was wir mit der Leiche unseres Freundes tun sollten.

Epilog
    Seit ungefähr einem Monat haben wir die Hölle nicht mehr verlassen. Sicher weiß ich es nicht – ich habe mein Zeitgefühl verloren, ein bisschen wenigstens. Zum Beispiel habe ich keine Ahnung, welchen Tag wir haben, und würde mich jemand nach dem Datum fragen, könnte ich gerade noch den Monat nennen, mehr aber auch nicht.
    Eines ist sicher: Es ist kalt.
    Nach unserer Rückkehr kamen die Flugzeuge und Helikopter jeden Tag. Sie mussten einen Verdacht bekommen haben, dass wir uns hier oben in den Bergen verstecken, weil die Hubschrauber jeden Winkel mit Geduld und Ausdauer absuchten und wie riesige Libellen langsam dahin und dorthin flogen, wieder abschwenkten und immer wiederkamen. Für uns war es eine schwere Zeit. Wir mussten unsere Sachen so verstecken, dass sie aus der Luft nicht sichtbar waren, und durften unseren Schlupfwinkel tagsüber nicht verlassen. Seit etwa einer Woche ist es besser geworden. Ich weiß nicht mehr genau, wann der letzte Hubschrauber hier war. Die Vorstellung, welchen Schaden wir in jener Nacht in Wirrawee angerichtet haben müssen, ist ein irres Gefühl. Es besteht zwar zu drei Vierteln aus Angst, aber irre ist es trotzdem.
    Etwas dürfte uns aber nicht gelungen sein. Homer erwähnte gestern, dass in der Turner Street keine Autos geparkt waren, als er sie überquerte, um zu dem Haus zu gelangen, das er in die Luft jagen wollte. Zumindest soweit er sich erinnern kann. Aber er meint, er sei ziemlich sicher. Jetzt nagt ein leiser Zweifel an mir, was Major Harvey anlangt. Als ich die Kirche verließ, stand der Rangerover in der Turner Street. Ich wollte Harvey erwischen, unbedingt, und zurzeit haben wir keine Möglichkeit, uns Gewissheit zu verschaffen.
    Da wir neue Batterien mitgebracht haben, können wir wieder öfter Radio hören. In den meisten Gegenden ist die Lage unverändert. Angeblich haben unsere Leute ihre Stellungen zwar gehalten, aber keine Gebiete zurückerobert; und weite Teile des besten Farmlandes, zu dem auch unser Distrikt gehört, scheinen fest in feindlicher Hand zu sein. Im Radio wurde gesagt, dass hunderttausend neue Siedler angekommen sind und noch mehr bereits ihre Koffer gepackt haben und in Kürze folgen sollen. In den amerikanischen Nachrichten ist kaum noch die Rede von uns, aber wenigstens unterstützt uns Amerika in Form von Geld und Ausrüstung. Flugzeuge vor allem. Sie schicken das Zeug nach Neuseeland – denn dort wird alles organisiert.
    Die Neuseeländer waren bis jetzt sehr tapfer. Sie haben Landungstruppen geschickt und an drei verschiedenen Orten schwer gekämpft; ihnen verdanken wir, dass mehrere wichtige Gebiete zurückerobert wurden – Newington zum Beispiel, wo sich ein großer Luftwaffenstützpunkt befindet. Aber in unsere Nähe sind sie nicht gekommen. Die einzige größere Aktion, zu der es in unserer Gegend kam, fand in Cobblers Bay statt. Vor drei Nächten hörten wir Flugzeuge, die in Richtung Küste flogen, und Robyn und Lee

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