Ein Engel an Güte (German Edition)
größten Sorgen.
« Verflucht ...!», rief Graf Fabio halblaut mit lombardischem Akzent.«Jetzt erstehen zu unserm Unglück sogar die Toten wieder auf!»
« Deine Schuld, wenn du Wege einschlägst, die du nicht beschreiten solltest.»
« Schöne Antwort, das! Was geschehen ist, ist geschehen; aber wenn ich daran denke, dass da noch dieser Neapolitaner in der Falle sitzt, der mich mit zwei Wörtchen auf die Galeere bringen kann!»
Die Gräfin stieß ihren Mann mit dem Ellbogen an und deutete auf Momolino, der auf der Vorderbank saß.
« Ach, lass doch!», sagte der Graf mit einem Achselzucken, als wolle er sagen:«Weißt du denn nicht, dass er blöde ist?»
« Ich werde mit Marcoligo reden, damit Giorgetto in die Verbannung geschickt wird, bevor Formiani sich wieder in diese Angelegenheit einmischt», flüsterte die Gräfin.
« Ja, hm...! Aber Tramontino, dieser Besessene, der sich dort oben in Asolo befindet, in den Klauen dieser anderen Besessenen!»
« Ich kann hoffentlich auch dagegen Mittel und Wege finden! Man kann ihn nach Venedig rufen lassen und ihn loswerden, indem man ihn... was weiß ich, als Kurier nach Dalmatien schickt...! Marcoligo hat mir versprochen, er würde alles nach Wunsch erledigen.»
« Teufel auch», versetzte der Mann,«aber er müsste sich ins Zeug legen und sich sputen!»
« Keine Angst», sagte die Gräfin,«und behalt einen kühlen Kopf, wenn ich bitten darf! Und lass deine Skrupel wegen dieser Spinner von außerhalb fahren! Schau, auch heute wieder hat ein Blick von Signor Terni genügt, und du hast keinen Ton mehr herausgebracht, und wenn ich nicht gewesen wäre...! Findest du, das ziemt sich für einen Mann?»
« Ach, wenn du wüsstest!», rief der Graf.
« Ich weiß nur, dass man erst die Füße und dann die Flügel von der Leimrute lösen muss, aber ich meine, du solltest dich von nun an ganz mir anvertrauen und nie mehr solche Luftschlösser bauen, die einem dann über dem Kopf zusammenstürzen, als ob sie aus festem Stein wären.»
« Darüber sind wir uns schon seit einer Weile einig.»
« Ja, und mit Geduld werden wir alles erreichen», versetzte die Gräfin.
Unterdessen hatte die Gondel am Palazzo angelegt, und beide erhoben sich, um auszusteigen. Mit einem Ruck schreckte Momolino hoch und stand, sich die Augen reibend, ebenfalls auf.
« Siehst du!», sagte der Graf zu seiner Gemahlin.
« Armer, unschuldiger Kerl!», murmelte sie.
Inzwischen hatte der Schwachsinnige sich wieder zurechtgefunden und reichte der Signora den Arm, wie es seine Pflicht war.
« Oh, du Schlingel!», sagte diese, indem sie den Fuß in die Vorhalle setzte und ihn am Ohr zog.« Wer hat dir denn diese schönen Manieren beigebracht, einfach einzuschlafen wie ein Hündchen?»
« Verzeihung, Frau Gräfin, ich will es nicht wieder tun», stammelte Momolino.
« Nun, ich verzeihe dir», antwortete die Gräfin, indem sie die Treppe hinaufstieg,«ich verzeihe dir, aber nur unter der Bedingung, dass du Nicoletto dazu bringst, sich in die Canean zu verlieben!»
Der Graf stieg hinter ihnen hinauf, ganz in Gedanken versunken, und brachte es an diesem Abend auch nicht fertig, sich wie sonst immer an den Spieltisch mit dem Sette e mezzo 23 zu setzen.
II
Der Gerichtsschreiber Chirichillo
Nach diesem Festtag war Morosina melancholischer gestimmt als zuvor, und sie wusste sich diese Eintrübung ihres Gemüts nicht zu erklären. Die guten Nonnen, die in den letzten Tagen so unwirsch zu ihr gewesen waren, hatten sie nun wieder über die Maßen lieb und hätschelten sie wie nie zuvor. Von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute rückte der lang ersehnte Augenblick der Befreiung näher. Obwohl sie sich eingestand, dass ihr das klösterliche Joch noch nie so sanft erschienen war, und obwohl sie ihre quälende Unruhe dadurch zu vertreiben suchte, dass sie sich mit geschlossenen Augen die ländlichen Freuden Asolos ausmalte, die bezaubernde Hügellandschaft ringsum, die reizende Vielfalt der Ausblicke und das unbeschwerte Leben, das sie in dieser Umgebung führen würde, überkam sie doch immer wieder eine rätselhafte Schwermut. Ohnedies fühlte die Ärmste sich in Venedig immer weniger wohl, vergleichbar einer Gebirgserika, die der Wind an einen trüben Tümpel verweht hat. So sehr die Klostermauern sie auch vor den schlimmsten Einflüssen der verderbten Welt da draußen bewahren mochten, es gelangte doch genug davon zu ihr, um sie zu verwirren, jetzt, da das Wissen um Gut und Böse, durch die schlechten
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