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Ein Engel an Güte (German Edition)

Ein Engel an Güte (German Edition)

Titel: Ein Engel an Güte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ippolito Nievo
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Chirichillo in Reichweite schien, sah man einen seiner Arme, in schwarzes Tuch gekleidet wie die Beine und die ganze übrige Person, bis auf Schulterhöhe sich heben, und ohne dass die Kleine zu mucksen gewagt hätte, sauste ein schallende Ohrfeige auf eine ihrer Wangen herab; und was der eine Arm verrichtet hatte, wiederholte der andere, und erst da erhob gewöhnlich die Büßerin ein lautes Gekreisch, doch er übertönte sie:«Was soll das Gezeter? So eine Schande!», sagte er.«Erst Böses tun und dann die Strafe fliehen! Sie sei gut, weise, liebevoll, und alle werden Sie segnen, Gott wird Sie belohnen, und ich will Sie auch nicht mehr in aller Öffentlichkeit durch zwei Ohrfeigen beschämen. »
    Das Mädchen wurde ganz still und machte sich ganz klein, da nahm der würdige Gerichtsschreiber vor den gebührend bestraften Verbrechern und umringt von den anderen Kinder, die sich in respektvollem Staunen um den Ort der Vollstreckung drängten, seine ganz allgemein gehaltene Predigt wieder auf:«Auch in dieser Woche hattet ihr wieder meine Züchtigungen nötig! Merkt euch, Kinder, dass sich das Maß des Ohrenschüttelns und der Backpfeifen von Mal zu Mal erhöht, wie die Theorie von der Rückfälligkeit es verlangt. Was soll denn dieses wilde Treten, Beißen und Brüllen, als ob ihr wütende Bluthunde wärt...? Ihr, Signor Celio, habt einen reichen Grundbesitzer der Terraferma 27 zum Vater; Ihr, Signora Morosina, Ihr, Signora Morosina», wiederholte er und blies die Backen auf,«Ihr seid die einzige Tochter des edlen Herrn Alvise Valiner, Podestà von Caneva usw. usf.; ihr anderen seid Sprösslinge, du des Apothekers, du des Verwalters, du des Sekretärs und so weiter... Nun denn, liebe Kinder, sobald ihr vierzehn seid, seid ihr rechtsmündig und fallt unter das Zivil- und Strafgesetz, und die Richter der Serenissima werden euch gemäß eurem Rang unterschiedlich behandeln. Bis zu diesem Tag aber untersteht ihr einzig den Geboten Gottes, die für alle gleich sind, versteht ihr, für alle gleich! Und da ich hier vor euch der Ausdeuter dieser Gebote bin, behandle ich euch nach meinem Gutdünken! Und solange ihr gleich seid, Adlige, Patrizier und Bauern, benehmt euch wie Gleiche; und wenn ihr es nicht mehr seid, begegnet euch mit den abgestuften Formen von Respekt, wie es sich unter verschiedenen Ständen ziemt. Und ihr, meine adligen Herrschaften, werdet nicht hochmütig, und ihr aus dem einfachen Volk, beklagt euch nicht, habt ihr verstanden? Denn außer Gott und Pfarrer, die auf dieser Welt regieren, gibt es auch noch das, seht ihr: Früher einmal wart ihr Adlige einfaches Volk, und ihr aus dem einfachen Volk wart Adlige; und irgendwann werdet ihr einfachen Leute wieder Adlige und ihr Adlige wieder einfaches Volk sein!»
    Nachdem er dies mit apostolischer Autorität zur stillen Verwunderung der Kinder vorgetragen hatte, die von so großer und seltsamer Beredsamkeit rein gar nichts begriffen, kehrte Chirichillo voller Würde in sein Amtsgebäude zurück, wo er von seinem Schreibtisch aus ab und zu einen prüfenden Blick auf die Spiele der Kinderschar warf.
    Ob man diese Methode nun für gut oder schlecht hält, jedenfalls war es ihm mit ihrer Hilfe binnen sechs Monaten gelungen, die kleinen Halunken besser zu erziehen, als die Signoria mit ihren Spitzfindigkeiten es in zehn Jahren zustande gebracht hätte. Es wurde weiter gespielt, aber es erhob sich kein Streit, oder wenn doch, wurde er bereits im Entstehen beigelegt. Denn gingen die Augen der Streithähne zum Fenster der Amtsstube hinauf, und erblickten sie dort hinter den Gitterstäben und den grünlichen Fensterscheiben die Wollperücke des Gerichtsschreibers, zuweilen auch seinen ruhigen, aber gestrengen Blick, so verging ihnen die Lust, handgreiflich zu werden, da es beiden Seiten zum sicheren Nachteil gereichen würde.
    Aber wer war nun dieser Chirichillo? Mit Gewissheit ein außergewöhnlicher Mensch, das wird man gleich bemerkt haben. Und doch verlief sein Leben sehr schlicht, sodass es sich in zwanzig Zeilen zusammenfassen lässt. Sohn eines Verwalters im Hause Formiani, hatte der Vater des Inquisitors ihn als Sekretär, Diener und Freund seines Sohnes gemeinsam mit diesem zum Studium nach Padua geschickt, und dort hatte er dank der Großzügigkeit seines Herrn eine Ausbildung genossen. Sodann hatte er dank derselben freigiebigen Großzügigkeit, wie damals üblich, im Dienste der Republik einen Posten als Gerichtsschreiber der Serenissima Dominante erhalten,

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