Ein Fall für Perry Clifton
unverschleiert über seinen Verdacht zu sprechen beginnt, ist seine Stimme voller Kälte.
„Seit einiger Zeit, Madam, werden in Londoner Kaufhäusern raffinierte Trickdiebstähle begangen. Bei der Diebin handelt es sich um eine Frau... eine Frau in Ihrem Alter... Die Frau besitzt eine tiefe, fast männliche Stimme. Eine Stimme — wie Sie! Und wissen Sie, was das Originellste an ihrem Trick ist? Diese Frau benutzt als Komplizen einen Dackel... einen Dackel, wie Sie ihn besitzen...“
Perrys Augen sind zuletzt fast starr auf die Porelli gerichtet, die bewegungslos und zusammengesunken dasitzt. Das einzige Bewegliche an ihr sind ihre Finger, die pausenlos an den Fransen der Tischdecke zupfen.
Doch nun kommt Leben in sie. Die Hände ballen sich zu Fäusten. Die zusammengesunkene Gestalt richtet sich ruckartig auf, während aus ihren Augen ein dunkles Feuer lodert.
Ihre Lippen bewegen sich kaum, als sie mit dumpfer, bebender Stimme fragt:
„Soll das heißen, daß...?“ Sie beendet den Satz nicht. Perry nickt kurz.
„Genau, Madame Porelli. Ich verdächtige Sie...“ Und leise setzt er hinzu: „Bisher bin ich wohl auch der einzige.“
Madame Porelli ist aufgesprungen. Fäusteschüttelnd steht sie vor Perry Clifton, und aus ihrem Mund dröhnt es wie Donner:
„Wäre ich ein Mann, Mister Clifton, dann würde ich Ihnen jetzt eine Tracht Prügel verabreichen, daß Sie auf der Nase nach Hause gehen müßten...“ Sie holt tief Luft.
„Sehr liebenswürdig“, ist alles, was Perry erwidern kann.
„Da ich aber kein Mann bin, werde ich mich eines anderen Mittels bedienen.“
„Und — was haben Sie vor?“ Perry fühlt sich plötzlich gar nicht mehr wohl in seiner Haut. Und irgendeine Stimme in seinem Innern scheint ihm sagen zu wollen, daß er eine große Dummheit begangen hat.
„Ich werde auf der Stelle zur Polizei gehen“, sprudelt es aus Madame Porelli heraus. „Sie kommen hierher... Sie verdächtigen mich, Sie... Sie... Sie Flegel... Und Sie wagen es, mir in meinen eigenen vier Wänden solche Ungeheuerlichkeiten an den Kopf zu werfen...“
Auf ihren Wangen haben sich rote Flecken gebildet.
„Aber, Madame Porelli, Mister Clifton hat es doch gar nicht so gemeint...“
Dickis Stimme ist voller Angst und Entsetzen. Und im Geist sieht er sich von einer langen Reihe Polizisten abgeführt.
„Nicht so gemeint? Was soll das heißen...?“ Für einen Augenblick hat sich Madame Porelli Dicki zugewandt, der zitternd neben seinem Sitzkissen steht. Jetzt dreht sie sich wieder Perry zu.
„Hören Sie, junger Mann: Ich will Ihnen eine Chance geben. Aber nur diesem kleinen Bengel zuliebe. Sie werden sich auf der Stelle bei mir entschuldigen, und ich will die Angelegenheit vergessen...“
Perry wirft rasch einen Blick auf Dicki. Und als er dessen Angst und Hilflosigkeit sieht, beschließt er, auf Madame Porellis Rat und Vorschlag einzugehen. „Die erste Runde geht an sie“, denkt er und knirscht leise mit den Zähnen.
„Also meinetwegen: Es tut mir leid, Madame Porelli.“
„Gut, vergessen, Mister Clifton.“
Ihre Empörung ist verraucht. Und fast liebenswürdig kommt es aus ihr heraus:
„Sehen Sie hier einen Hund, Mister Clifton?“
„Nein, das nicht, aber...“
„Wann fanden die Diebstähle statt?“
„Innerhalb der letzten vierzehn Tage.“
„Sie sind ein schlechter Detektiv, Mister Clifton. Bevor Sie jemand verdächtigen, sollten Sie sich ein wenig um sein Alibi kümmern... so nennt man das wohl...“ Ihre Stimme ist mit einem Male voller Spott. Und fast genießerisch läßt sie folgende Erklärung auf ihren Lippen zergehen: „Begeben Sie sich doch mal in das Krankenhaus in der Baker-Street und fragen Sie dort nach, wann Miß Porelli aus dem Krankenhaus entlassen wurde...“ Und mit scharfer Stimme: „Und jetzt sehen Sie zu, daß Sie aus meinem Wagen verschwinden, sonst gehe ich wirklich noch zur Polizei, obgleich ich für diese nutzlose Einrichtung nichts übrig habe.“
Jan Krenatzki wittert einen guten Kunden
Auf der Fahrt von Chelsea nach Norwood sind Perry Clifton und Dicki Miller ziemlich schweigsam. Während letzterem noch der Schreck in den Gliedern sitzt — schließlich waren sie ja um Haaresbreite am Gefängnis vorbeigekommen, denkt er — , hat Perry Mühe, seine Niedergeschlagenheit zu verbergen.
Sie waren vorhin noch am St.-James-Krankenhaus vorbeigefahren, wo man ihnen bestätigte, daß Miß Porelli nach dreiwöchiger Behandlung vorgestern entlassen worden sei.
Trotz
Weitere Kostenlose Bücher