Ein Fall für Perry Clifton
dieser Eindeutigkeit bohrt etwas in Perry Clifton. Er weiß es nicht zu deuten, obwohl er pausenlos versucht, dahinterzukommen.
„Ich kann mir nicht helfen. Irgendwo ist da ein Haken...“ murmelt er leise vor sich hin. Dicki hat es gehört.
„Aber wenn Madame Porelli doch im Krankenhaus war...“ Dicki scheint mit seinem Freund gar nicht mehr einverstanden zu sein. Aber da ist noch eine Frage, die ihn bewegt: „Warum nennt sie sich eigentlich Madame Porelli, wenn sie doch eine Miß ist?“
„Das gehört zu ihrem Artistennamen, vermutlich“, erwidert Perry abwesend und fügt hinzu: „Solche Leute schmücken sich gern mit ausländischen Beinamen. Madame klingt schließlich besser als Madam. Aber glauben wir mal, daß Madame Porellis Dackel wirklich gestohlen wurde“, spinnt Perry den Faden weiter, „dann muß es jemand gewesen sein, der den Hund genau kannte und der auch dem Tier vertraut war. Also eine Person aus der unmittelbaren Umgebung der Porelli.“
„Einer vom Zirkus?“
„Oder eine vom Zirkus?“ verbessert Perry.
„Es tut mir leid, daß wir Madame Porelli unrecht getan haben.“
„Viele Menschen irren sich, Dicki. Und oft stellt sich hinterher sogar noch der Irrtum als Irrtum heraus!“ antwortet Perry zweideutig.
Doch Dicki hat den Sinn dieser Worte nicht ganz begriffen.
„Was wollen Sie denn nun machen?“
„Ich werde das Geheimnis dieser seltsamen Schmuckdiebstähle auf decken, koste es, was es wolle...“
Den ganzen Montagvormittag treibt sich Perry Clifton in und bei dem Zirkus Paddlestone herum. Er fragt diesen, fragt jenen. Doch es ist alles umsonst. Niemand kann ihm etwas von Bedeutung sagen, und so kehrt er kurz vor zwei Uhr wieder in seine Wohnung in Norwood zurück. Perry Clifton hat keine Ahnung, daß zu diesem Zeitpunkt irgendwo in London Vorbereitungen für einen neuen dreisten Diebstahl getroffen werden.
Es ist inzwischen fast sechzehn Uhr geworden. Trotz der an sich noch frühen Stunde brennen schon die Straßenbeleuchtungen in der City, und das unübersehbare Meer der tausendfachen Leuchtreklamen blitzt und schillert in allen Farben.
Vom Turm des Parlamentsgebäudes schlägt Big Ben gerade die vierte Nachmittagsstunde, als eine Taxe von der Holler-Street kommend in die schmale Wourcester-Street einbiegt.
Nach knappen hundert Metern stoppt der Wagen.
Eine halbe Minute vergeht, dann öffnet sich der Fond, und ein kleiner schwarzer Schatten huscht heraus... es folgt ein schlanker Herr, der jetzt dem Taxichauffeur kurz zunickt. Der Motor heult auf, und mit quietschenden Reifen biegt das Auto um die nächste Straßenecke.
Gemächlich schlendert der Herr über die Straße. Er trägt einen dunklen, nach Maß geschneiderten Anzug. Über dem angewinkelten Arm hängt in vornehmer Manier ein Schirm, und der Kopf wird von einer glänzend schwarzen Melone bedeckt.
Das Auffälligste jedoch an der Erscheinung des eleganten Gentlemans ist das dichte, schneeweiße Haar, das rechts und links unter dem Hut hervorlugt. Gleichermaßen als Bestätigung des Alters ist der dichte, ebenfalls schneeweiße Vollbart zu werten.
Der Weißhaarige hat jetzt die Nummer 17 der Wourcester-Street erreicht. Er steht vor dem Schaufenster eines kleinen Ladens.
Kritisch mustert er die Auslagen in dem sehr kleinen Schaufenster, auf dessen ungeputzter Scheibe in gelber Farbe geschrieben steht, daß sich der Inhaber mit dem An- und Verkauf von Gold und Edelsteinen befaßt.
Der vornehme alte Herr legt die Hand auf die Klinke...
Jan Krenatzki, der aus Krakau eingewanderte polnische Händler, hat minutenlang das Kommen des alten Gentlemans beobachtet.
Als Krenatzki sicher war, daß der Gentleman zu ihm wollte, rieb er sich in Erwartung eines guten Geschäftes die Hände und eilte in den finsteren hinteren Teil seines Ladens.
Es ist immer gut, wenn man einen vielbeschäftigten Eindruck macht. So etwas erhöht das Renommee und — die Preise...
Ein zufällig in den Laden geratener Kunde würde wohl kaum vermuten, daß bei Jan Krenatzki auch kostbare Dinge zu kaufen oder zu verkaufen sind.
Der Duft von Mottenpulver und Knoblauch vermischt sich mit dem penetranten Geruch, den alter Trödel an sich zu haben pflegt.
Und so gemischt wie der Geruch ist auch das Repertoire der zum Verkauf stehenden, liegenden oder hängenden Sachen.
Aufgereiht an einer Messingstange hängen Fräcke neben Straßenanzügen, Cutaways neben Maskenballkostümen und Smokings neben Kleidern verschiedener Modeepochen. Es
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