Ein Fall für Perry Clifton
angewinkelten Finger mehrere Male kurz und hart gegen das Holz der Tür. Sie halten den Atem an... Nichts... keinerlei Reaktion...
Perry hat schon die Hand gehoben, um sein Klopfen zu wiederholen, als er ein Geräusch hört. Es klingt wie das Schlürfen von Schuhen...
„Wer ist draußen?“ tönt es plötzlich dicht hinter der Tür auf. Perry fühlt, wie ihm ein Schauer über den Rücken läuft, denn er hat die Stimme erkannt. Es gibt keinen Zweifel: So tief kann nur Madame Porellis Organ sein.
„Mein Name ist Perry Clifton... Ich komme vom Zirkus Paddlestone“, antwortet er und spürt, wie sich Dickis Finger bei diesen Worten in seine Jacke krallen.
„Einen Augenblick...“
Ein Schlüssel dreht sich im Schloß. Als sich die Tür öffnet, müssen Perry und Dicki für einen Moment lang geblendet die Augen schließen.
„Da ist noch jemand“, ertönt Madame Porellis Stimme wieder. Diesmal sehr mißtrauisch.
„Das ist mein kleiner Freund Dicki“, beschwichtigt Perry.
„Treten Sie ein!“
Während Dicki die Tür schließt, wandern Perrys Blicke blitzschnell durch den Wohnwagen. Paddlestone hat tatsächlich nicht zuviel gesagt: Madame Porelli ist für die Verhältnisse eines Wohnwagens vorzüglich eingerichtet.
„Nehmen Sie Platz... du auch...“
Vorsichtig leistet Dicki dieser Aufforderung Folge, indem er sich auf die äußerste Kante eines marokkanischen Sitzkissens hockt.
Perry dagegen läßt sich betont lässig in einen Sessel sinken.
Madame Porelli ist mit einer Art Kimono bekleidet, der ihr fast bis an die Zehenspitzen reicht. Im Haar trägt sie eine stattliche Reihe metallener Lockenwickler, die sie mit einem lose geschlungenen Kopftuch zu verbergen sucht.
„Schickt Sie der alte James Paddlestone zu mir?“ fragt sie und mustert Perry intensiv, als wolle sie ergründen, ob sie ihn schon einmal gesehen habe.
„Nicht direkt“, erwidert Perry und setzt ein charmantes Lächeln auf. „Er hat mir nur gesagt, wo ich Sie ungefähr finden kann.“
„Und Sie haben mich gefunden“, stellt Madame Porelli fest. Wieder ist das Mißtrauen in ihren Augen. „Sie haben das Zeug zu einem Detektiv!“
Perry durchfährt es siedendheiß. Während er noch überlegt, ob er sie sofort mit seiner Anschuldigung überrumpeln soll, hat Madame Porelli nach einer Flasche gegriffen.
„Trinken Sie einen Whisky mit mir?“ Perry nickt.
„Milch habe ich leider nicht im Wagen“, fügt Madame Porelli hinzu und wirft dabei einen Blick auf Dicki, der noch immer unbeweglich auf seinem Kissen sitzt.
„Zum Wohl, Mister Gripsten! “
„Clifton, Madame... ganz einfach Clifton“, verbessert Perry freundlich. Er hat sich jetzt wieder völlig in der Hand... Und nach dem ersten Schluck nickt er anerkennend.
„Ausgezeichnet, dieser Tropfen. Schmeckt fast so gut wie geschmuggelter Whisky.“
Madame Porelli läßt ein tiefes, dröhnendes Lachen hören. Doch dann richtet sie sich abrupt auf. Alle Freundlichkeit ist mit einem Male wie fortgewischt.
„Also — was wollen Sie von mir? Daß Sie kein Theater- oder Varieté-Agent sind, sieht man Ihnen auf hundert Meter an.“
„Ich bin Privatdetektiv, Madam“, erwidert Perry, als sei das die natürlichste Sache der Welt. Doch so ruhig, wie er nach außen hin erscheint, ist er innerlich nicht. Alles in ihm ist gespannt.
„Privat... Privatdetektiv?“ Madame Porelli scheint ehrlich verblüfft zu sein. „Keine Angst — kein Erschrecken“, registriert Perry Clifton in einem Hinsehen.
„Privatdetektiv?“ fragt die Artistin jetzt noch einmal.
„Ganz recht, Madam.“
Und dann geht plötzlich eine seltsame Veränderung mit ihr vor.
Ihr eben noch verkniffener Mund entspannt sich. In den eben noch voller Mißtrauen sprühenden Augen glimmt Hoffnung auf. Und voller Hoffnung ist auch ihre Stimme, die jetzt alle Härte verloren hat.
„Wissen Sie vielleicht etwas über Jocky, Mister Clifton?“
„Einiges, Madam!“ antwortet Perry und hat Mühe, seine Verwirrung zu verbergen.
„Erzählen Sie... nun reden Sie doch schon...“
„Ich weiß nicht, ob Ihnen meine Geschichten sonderlich gut gefallen werden.“
„Mir ist alles egal... wenn ich nur die Wahrheit erfahre... also-was ist mit meinem Hund?“
Perry Clifton, der mit der hundertprozentigen Gewißheit von Madame Porellis Schuld hierher kam, ist unsicher geworden. Und je größer seine innere Unsicherheit wird, desto stärker fühlt er in sich das Bedürfnis, diese Unsicherheit nicht zu zeigen.
Als er jetzt
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