Ein Fall für Perry Clifton
macht eine Handbewegung, die soviel heißen soll wie: „Fragen Sie doch.“
„Ich suche Madame Porelli. Wenn Sie mir sagen würden, welche Nummer ihr Wohnwagen hat.“
Aus Paddlestones Augen spricht Bedauern.
„Da suchen Sie leider an der falschen Stelle.“
„Wie soll ich das verstehen?“ fragt Perry überrascht und spürt gleichzeitig, daß sich in ihm ein enttäuschendes Gefühl ausbreitet.
„So, wie ich sagte, Mister Clifton. Madame Porelli ist nicht mehr bei uns. Leider, denn sie war eine sehr gute Nummer.“ Dabei zuckt er mit den Schultern.
„Hm, damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet...“
In Perrys Worten schwingt die ganze Enttäuschung mit, die ihn bei dieser Mitteilung befallen hat.
Direktor Paddlestone lehnt sich zurück, während er mit leiser Stimme erzählt.
„Als der Dackel Jocky verschwand, war nicht mehr mit ihr zu sprechen. Wochenlang verkroch sie sich in ihrem Wohnwagen oder an Orten, die ich nicht kenne. Sie sprach mit niemandem, und wer sie besuchen wollte, mußte an ihrer Tür kehrtmachen... Als sie dann nach Wochen wieder zum Vorschein kam, schimpfte sie nur noch. Und sie schimpfte über alles. Am meisten jedoch über die Polizei, die nach ihrer Meinung völlig unfähig sei und außerstande wäre, ihren Hund wieder herbeizuschaffen..
„Und wann hat sie den Zirkus verlassen?“ will Perry wissen.
„Es war irgendwann in der zweiten Septemberhälfte.“
„Hat sie denn in London eine Wohnung?“
„Nicht, daß ich wüßte. Sie schwor auf das Leben im Wohnwagen. Und ich muß zugeben, daß sie auch ganz passabel eingerichtet war.“
„Ah, sie besaß einen eigenen Wohnwagen...“ horcht Perry auf.
„O ja...“
Perry Clifton kneift ein wenig die Augen zusammen. Und dann schießt er seine wichtigste Frage ab:
„Wissen Sie, Herr Direktor, wo sich Madame Porelli zur Zeit auf hält?“
Paddlestone denkt einen Augenblick nach. Dann antwortet er:
„Wenn ich mich nicht irre, so soll sie ihren Wohnwagen irgendwo in Chelsea aufgestellt haben. Aber fragen Sie mich nach keiner Adresse — ich wüßte es tatsächlich nicht.“
„Bei Tante Millie“, entfährt es da Dicki, der die ganze Zeit aufmerksam zugehört hat...
Perry Clifton findet, daß es an der Zeit sei, sich zu verabschieden. Er ist überzeugt, daß der Direktor alles gesagt hat, was er wußte.
„Es tut mir leid, daß ich Sie gestört habe, Herr Direktor. Auf alle Fälle bin ich Ihnen dankbar...“
„Nichts für ungut, junger Mann. Sollten Sie Madame Porelli begegnen, sagen Sie ihr viele Grüße von mir. Und richten Sie ihr aus, daß James Paddlestones Unternehmen ihr stets offenstünde.“
„Ich werde es ausrichten, Sir!“ erwidert Perry und verabschiedet sich mit einer freundlichen Verbeugung.
Von Greenwich über Newington zum Stadtteil Chelsea sind es runde zwanzig Kilometer. Und da Perry und Dicki dazu noch in eine Verkehrsstauung geraten, ist es bereits stockfinster, als sie endlich in Chelsea eintreffen. Und bald müssen sie die Erfahrung machen, daß es einfacher ist, in einem ausverkauften Fußballstadion einen bestimmten Mann zu finden als im Häusermeer von Chelsea einen einzelnen Wohnwagen...
Nachdem sie ein Dutzend Polizisten vergeblich um Rat gefragt haben, scheint Dicki der rettende Gedanke zu kommen.
„Wissen Sie was, Mister Clifton? Wir gehen einfach zu Tante Millie. Wenn die es nicht weiß, weiß es niemand. Tante Millie hört nämlich das Gras wachsen und die Flöhe niesen...“ ‘
„Aber Dicki...“
„Großvater sagt immer, daß Tante Millie den Leuten schon auf hundert Meter ansähe, ob sie noch einen Weisheitszahn hätten oder nicht.“
„Was würdest du wohl machen, wenn du keinen Großvater zitieren könntest?“ gibt Perry lächelnd zu bedenken.
„Ach, Großmutter ist auch ein ganz fideles Haus... Wenn sie nur nicht so schnarchen würde...“
Während dieser kurzen Unterhaltung sind Perry und sein Freund wieder am Wagen angelangt.
„Wo wohnt denn Tante Millie?“ erkundigt sich Perry, während er den Wagen startet.
„ Auckland-Street. “
„Nummer?“
„Siebzehn.“
Nach zehn Minuten Fahrzeit stoppt Perry Clifton den Wagen vor der angegebenen Adresse ab. Tante Millie ist zu Hause. Nach ihrer überschwenglichen Begrüßungszeremonie, die Dicki kurzerhand abbricht, indem er ihr einen Kuß gibt, müssen die beiden Detektive erfahren, daß die gute Tante Millie nicht die leiseste Ahnung von Madame Porellis Aufenthalt hat.
Aber sie wartet mit einer Idee auf.
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