Ein Fall von Liebe
vielleicht, während wir hier sitzen.« Er lief wieder zum Telefon und wählte ihre Nummer, wobei seine Hände heftig zitterten. Er ließ es läuten, solange er es ertragen konnte, und legte dann den Hörer auf. »Ich muß hin. Hast du die Schlüssel? Ich werde mich um alles kümmern. Du bleibst hier und wartest auf den Arzt. Wenn das Telefon läutet, melde dich nicht. Wo sind die Schlüssel?«
Charlie saß gekrümmt da, den Kopf in den Armen. Als er ihn hob, war sein Gesicht verstört, und er blickte Peter an, ohne ihn zu sehen. Er keuchte. »Ich werde sie holen«, sagte er, ohne sich zu rühren.
»Nein, bemüh dich nicht. Sag mir nur, wo sie sind. Sind sie in deiner Jacke?«
Charlie nickte. Peter rannte ins Schlafzimmer zurück, fand die Jacke und suchte in allen Taschen, bis er die Schlüssel entdeckte. Es überlief ihn kalt, als er daran dachte, wie es sein würde, wenn er die Wohnung betrat. Er blieb in der Tür zum Wohnzimmer stehen. Charlie saß ganz in sich versunken da und starrte auf den Fußboden.
»Ich gehe jetzt. Tu nichts. Der Arzt wird bald hier sein. Melde dich nicht am Telefon. Hast du überlegt, was du der Polizei sagen wirst, wenn sie davon erfährt?«
Charlie blickte auf. »Sie hat mir das angetan. Sie hat ihre Zähne in mich gebohrt und wollte nicht davon ablassen. Was hätte ich anderes tun können? Das ist doch Notwehr, nicht wahr? Ach, Gott, Kleiner, ich habe solche Angst. Ich wußte, du würdest mir helfen. Sag ihr nicht, wo ich bin. Es war dort überall so viel Blut.«
»Mach dir keine Sorgen. Es wird alles wieder gut.« Er zögerte, einen Augenblick gegen seine Angst ankämpfend, und ging dann. Er nahm ein Taxi und ließ es an der Ecke unweit von ›El Morocco‹ halten. Er kam sich wie ein Helfershelfer nach der Tat vor oder wie man das nannte. Tim würde das wissen. Was würde er tun, wenn er eine Leiche fand? Nein, das konnte nicht sein. Charlie hatte Gespenster gesehen. Er war zu betrunken gewesen, um zu wissen, was er tat. Er hatte sie wahrscheinlich nur ein paarmal geschlagen, vielleicht k. o. geschlagen, und dann hatte er Angst bekommen. Peters Hände zitterten, als er den Fahrer bezahlte. Auf dem Wege zu dem Hause hielt er sich im Schatten. Als er es erreichte, hörte er nebenan Wagentüren zuschlagen und lautes Gelächter. Sein Herz schlug schnell, als er das schäbige Haus betrat. Er erinnerte sich daran, daß Fingerabdrücke verräterisch sein könnten. Am Ende des Flurs blieb er vor der Tür stehen und horchte. Er hörte nichts. Er zwang sich mühsam, Ruhe zu bewahren, steckte den Schlüssel so leise wie möglich ins Schloß. Dann bedeckte er den Knauf mit dem Schoß seiner Jacke, drehte den Schlüssel im Schloß und stieß die Tür auf. Das Geräusch, das sie machte, klang wie ein leises Seufzen. Er blieb in der Tür stehen. Sein Herz schlug wild, seine Knie schlotterten, und er horchte. Stille. Dann ein Schlurfen, das ihm den Atem stocken ließ, ein Bumsen, und er hörte Hattie unter Tränen fluchen. Er war so erleichtert, daß sich ihm alles vor den Augen drehte. Sollte er zu ihr gehen? Wahrscheinlich würde das alles nur noch schlimmer machen. Wenn sie sich bewegen und fluchen konnte, dann konnte sie auch ans Telefon gehen und um Hilfe rufen. Er betete, daß sie es jetzt gleich täte, damit er Bescheid wußte. Er hörte noch andere nicht identifizierbare Geräusche. Sie war dort, ein paar Meter von ihm entfernt, ging umher. Jeden Augenblick würde sie vielleicht aus dem Zimmer kommen, um ins Badezimmer oder die Küche zu gehen. Nein, sie durfte ihn hier nicht finden. Er schlich zur Wohnungstür zurück und zog sie hinter sich zu. Sie klickte leise. Er hörte Hattie mit gedämpfter Stimme rufen: »Charlie!« Er ging auf Zehenspitzen durch den Flur und dann hinaus. Er blieb zwischen den Mülltonnen stehen und holte tief Atem. Sein Herz schlug immer noch. Auch die Knie schlotterten ihm noch, aber eine überschwengliche Freude nahm von ihm Besitz. Es fehlte ihr nichts. Sie hätte nicht gerufen, hätte nicht das Klicken der Tür gehört, wenn sie nicht ganz bei sich gewesen wäre. Sie konnte allein fertig werden. Er lief ein Stück weiter und rief ein Taxi, das vor dem Nachtklub hielt und aus dem gerade mehrere Leute ausgestiegen waren.
Als er in seine Wohnung stürmte, kam Phil gerade aus dem Schlafzimmer. »N’Abend, mein Süßer.« Der Arzt küßte ihn flüchtig. Er war ein heiter aussehender junger Mann. Er deutete mit dem Kopf zum Schlafzimmer hin. »Scheußlich,
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