Ein Fall von Liebe
gesagt, Tim sei ein Ersatz. Früher oder später wirst du jemanden finden müssen, dem du das alles geben möchtest, das Wesentliche. Ist das fair gegen ihn? Wäre es nicht besser – ganz abgesehen von mir –, jetzt, da die Freundschaft mit ihm noch in den Anfängen ist, mit ihm zu brechen, als ihn weiter glauben zu lassen, sie sei etwas Unzerstörbares? Das ist es. Du hast jeden Grund, nichts mehr mit mir zu tun haben zu wollen. Bei einem Neuen wäre das nicht so.«
Peter war so dicht an ihn herangerutscht, daß ihre Arme sich berührten. »Du hast, was Tim angeht, recht. Ich habe das auch schon gedacht. Und das ist eben das Schlimme. Ich wüßte nicht, wie ich es mir je verzeihen könnte, wenn ich ihn verließe.«
»Aber wenn ich verschwinde, werden wir drei unglückliche Menschen sein. Und was hast du davon? Und das alles durch meine Schuld. Ich weiß das. Aber, Kleiner, ich bin jetzt bereit, dir mein ganzes Leben zu geben. Alles. Bei Hattie habe ich wenigstens das eine gelernt, was es heißt, wirklich mit jemandem zusammenzuleben. Und so soll es mit uns sein – so wie du es gesagt hast –, als wären wir verheiratet. Ich würde meine Seele dafür geben, um dich diesmal glücklich zu machen. Verdammt, verstehst du?«
»Dürfte ich dich Liebling nennen, wann immer ich es wollte?« fragte Peter grinsend.
»Ach Gott.« Er öffnete den Mund, holte tief Atem und schüttelte den Kopf. »Du bist so wunderbar. Selbst jetzt, da mir ist, als müßte ich sterben, wenn ich’s nicht mit dir treiben könnte und ich es nicht kann und du mich erkennen läßt, was für ein Schwein ich gewesen bin, hätte ich nichts dagegen. Ich bin wie du. Ich habe immer dagegen gekämpft. Aber jetzt kämpfe ich nicht mehr. Du mußt entscheiden, Kleiner.« Er hob seine Knie, schlang die Arme um sie und legte den Kopf auf sie. »Bitte, nimm mich.« Er war sich endlich über sich selber klar geworden, hatte allmählich erkannt, wie es um ihn stand. Noch gestern abend, als er vor Angst wie gelähmt gewesen war, hatte er ganz selbstverständlich sich auf Peter verlassen. Seitdem war das ganze künstliche Gebäude seiner Persönlichkeit eingestürzt, und er stand nun wie nackt da. Stolz, Sicherheit, Überheblichkeit waren von ihm abgefallen. Er war dieses armselige Geschöpf, das darum flehte, angenommen zu werden. Er war bereit, von vorn anzufangen.
Peter hatte sich wieder so gesetzt, daß seine Beine von der Brücke herunterbaumelten, aber eng an ihn geschmiegt, bot er ihm den Trost seines Körpers dar.
»Ich habe darum gebetet, daß du es in Ordnung bringen könntest«, sagte Peter leise. Er wußte, vieles war unrecht, aber er wußte auch, daß er nicht die Kraft hatte, Charlies Bitte zu widerstehen. Dies war der Augenblick, nach dem er sich gesehnt und vor dem er sich gefürchtet hatte. Es war geschehen. Es gab kein Zurück mehr. Man hätte jubeln und es feiern müssen, aber er hatte vor allem das Gefühl, daß er lange auf dies gewartet hatte und es brauchte. Tim war in die Vergangenheit gesunken. Niemand vermochte etwas dagegen zu tun. Vor seinem inneren Auge tauchte das Bauernjungengesicht auf, als er Lebewohl sagte. Er fuhr fort: »Ich hätte nie geglaubt, daß es noch eine Hoffnung für uns gab. Ich hoffte trotzdem. Ich glaube, ich verstehe es jetzt. Es wird nicht leicht sein. Das einzige, das mich davor bewahren kann, mich für den Rest meines Lebens schuldig zu fühlen, ist, daß etwas Wirkliches daraus wird.«
»Ach, mein kleiner Liebling.« Sie schlangen ihre Arme umeinander und drückten sich.
»Komm, Liebling«, sagte Peter. »Wir haben noch sehr viel zu entscheiden. Wir fahren jetzt besser dorthin zurück, wo es Telefone gibt.«
Sie standen auf, strichen ihre Jacken und Hosen glatt und gingen zum Wagen. Wie in stummer Vereinbarung setzte sich Peter ans Steuer. Er fuhr weiter, bis er an eine Stelle kam, wo er wenden konnte. Als sie auf dem Rückweg an der Brücke vorbeikamen, verlangsamte Peter das Tempo.
»Ich werde mich immer an diese Brücke erinnern. Glaubst du, daß sie symbolisch ist oder so etwas? Nun, gehen wir über sie.« Er nahm Charlies Hand, und sie fuhren in schnellerem Tempo zur Stadt zurück. »Wir hätten sie hinter uns abbrennen müssen. Hör mal, wir müssen Hattie finden. Ich werde in unserer Wohnung anrufen, und wenn sich dort niemand meldet, rufen wir den Produzenten des Stücks an. So werden wir wenigstens erfahren, ob sie an den Proben teilnimmt.«
»Wenn du das Geld erübrigen kannst, würde ich
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