Ein Fall von Liebe
würde ohne diese Bindung merkwürdig sein. Er war noch nicht aus dem Gefängnis befreit, zu dem er sich selber verurteilt hatte, aber er durfte wieder hoffen. Er spürte schon einen Hauch von Freiheit. Vielleicht würde Tim am Donnerstag das Wunder vollbringen. Er brachte seine Kleidung in Ordnung, strich sein Haar glatt und wartete, bis er sich wieder ganz gefaßt hatte, ehe er zu den anderen zurückkehrte. Er fand sein Glas dort, wo er es im Vorbeigehen hingestellt hatte, und ein Diener kam und füllte es wieder. Walter Pitney gesellte sich zu ihm.
»Da bist du ja, mein Junge. Einen Augenblick glaubte ich, ein glücklicher Teufel habe dich entführt. Hat’s mit Tim geklappt?«
»Und wie!«
»Das freut mich aber sehr. Es ist ein Jammer, daß er gerade jetzt fort mußte, aber er kommt bald wieder. Die Vorfreude gibt manchmal erst die richtige Würze.« Seine Hornbrille und sein freundliches Lächeln gaben ihm etwas Gütiges. Die heitere Banalität von allem, was er sagte, war wohltuend, wie aus einem Buch zitierte Segenssprüche. All seine Bewegungen waren energisch und genau, was ihm Autorität verlieh; die Aura eines Mannes, der wußte, was er wollte, und es wahrscheinlich bekommen würde. Peter dachte an das, was Tim über ihn gesagt hatte, und fühlte sich angenehm zur Familie gehörend.
»Gilt die Einladung zum Dinner noch? Ich möchte alles über Tim hören.«
»Ich habe mir gleich gedacht, ihr beide paßtet zueinander. Ich bin froh, daß ihr das so schnell entdeckt habt.«
Peter lachte erleichtert. »Ja. Ich glaube, ich werde für eine Weile aus dem Verkehr gezogen sein. Ich will jetzt schnell noch mal mit Hughie sprechen.«
»Er ist dort drüben.« Walter nickte und lächelte. Peter ging zu Hughie hinüber.
Hughie lächelte ihn verstohlen an, als er ihn sah. »Etwas Großes gefunden, Chérie?«
»Ja, etwas Großes.«
»Das ist gut, Chérie. Das ermöglicht es mir, dich ein klein bißchen zu hassen. Nicht viel. Nur so viel, daß es mir leichter wird.«
Peter legte die Hand auf seine Schulter und rüttelte ihn sanft. Er hielt ihm das Wechselgeld von dem Taxi hin. »Hier ist dein Geld. Du bist ein großartiger Kerl, Hughie.«
»Du auch, Chérie. Steck das Hühnerfutter ein. Wirst du zum Dinner bei Seiner Hoheit bleiben? Auch das ist gut. Walter ist ein netter Mensch.«
Peter blickte ihm in die Augen. »Danke für die letzte Nacht.«
Hughie lachte, wobei er seine weißen Zähne entblößte. »Uuuuiii, du weißer Knabe.«
Langsam brach man auf. Peter war der Gegenstand heimlicher Rivalität, als man erfuhr, daß er noch blieb. Man spielte auf einen Massageapparat an, und Peter nahm an, das hatte etwas mit einem Scherz zu tun, den er nicht gehört hatte. Er war ein paar Augenblicke verlegen, als er schließlich mit seinem Gastgeber allein war. Jetzt war die Zeit gekommen, da eine Hand sich vielsagend auf einen Arm oder eine Schulter legte, da man sogar zu küssen versuchte. Aber nichts dergleichen geschah. Walter machte keinen Versuch, ihm zu nahe zu kommen.
»Ich bin entzückt, daß du geblieben bist. Eine unerwartete Freude.« Er strahlte wohlwollend. »Willst du beim Champagner bleiben, oder möchtest du vorm Dinner etwas Stärkeres trinken?« Er ging zu einem Tisch und drückte auf einen Klingelknopf.
»Vielleicht einen Whisky zur Beruhigung.«
Walter lächelte zustimmend. »Laß es dir wohl sein. Ich sehe gern Menschen, die es sich wohl sein lassen.« Ein Diener kam herein, goß einen Whisky für Peter ein und begann Gläser und Flaschen abzuräumen. Peter war es, als wäre er hermetisch in einer Welt des Luxus und Überflusses eingeschlossen, die nichts mit der Stadt zu tun hatte, wie er sie kannte.
»Hast du den Soutine über dem Kamin bemerkt?« fragte Walter. »Es ist eins meiner Lieblingsbilder.«
»Das ist ein Soutine? Ich war mir dessen nicht sicher. Er ist herrlich. Alles, was du hast, ist wunderbar.«
»Es freut mich, daß es dir gefällt. Sammeln bedeutet mir viel. Ich habe noch viele Bilder im Hause. Ich werde sie dir später oder an einem anderen Tag zeigen. Man muß sie eigentlich bei Tageslicht sehen. Komm, sieh dir diesen Cézanne an. Das ist das kostbarste von allen meinen Bildern.«
Sie gingen zusammen im Zimmer umher und betrachteten die Bilder. Walter machte sich die vielen Gelegenheiten, die sich ergaben Peter anzufassen, nicht zunutze.
Sie aßen in einem Speisezimmer, das von einem prächtigen Picasso aus der Blauen Periode, von dem Peter schon oft Reproduktionen
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