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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
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wirkte auch tagsüber, wenn sie nicht rot angestrahlt wurde, recht imposant. Obwohl er sich weder sonderlich für Kunst interessierte noch sich für besonders kompetent hielt, wertete er sie als hervorragendes Werk der Industriekultur.
    Plötzlich fing es an zu regnen. Unwillkürlich musste Pielkötter an den gestrigen Abend denken. Der Besuch von Jan Hendrik und Sebastian hatte so schön begonnen, und nun hatte er wegen dieses tödlichen Falls gleichzeitig berufliche und private Schwierigkeiten. Als er gestern Abend nach Hause zurückgekehrt war, waren Jan Hendrik und sein Freund bereits aufgebrochen, und Marianne hatte sich schlafend gestellt. Obwohl sie keinen Ton mehr von sich gegeben hatte, hatte er ihr angemerkt, dass sie noch immer wütend auf ihn war. Immer wieder hatte sie ihre Beine über das Laken gerieben und zumindest unbewusst demonstriert, wie aufgewühlt sie war.
    Pielkötters Gedanken kehrten zu dem Fall zurück. Hoffentlich kam die Spurensicherung mit ihrer Arbeit gut voran, überlegte er. Der Staatsanwalt hatte dem groß angelegten Einsatz nur widerwillig zugestimmt, um Lützows Todesumstände zu klären. Nach dem Lärm im Hintergrund zu urteilen, war er bei dem Anruf gerade auf einer Party gewesen und nicht gerade amused über die Störung.
    Während Pielkötter direkt hinter dem Rhein die Abfahrt nahm, fiel ihm unwillkürlich Katharina Gerhardt ein. Was wohl aus der Frau geworden war, die ihn in erstaunlicher Weise an seine Jugendliebe erinnert hatte? An der nächsten roten Ampel ordnete sich Pielkötter links ein. Automatisch schielte er nach rechts. Dort entlang ging es zu Katharina. Um wie vieles lieber wäre er jetzt zu ihr gefahren, als Erwin Lützows einziger Tochter die traurige Nachricht vom Tod ihres Vaters zu überbringen.
    Die Ampel sprang um. Pielkötter gab unnötig viel Gas und bog ab. Inzwischen war der Regen stärker geworden, und er stellte den Scheibenwischer auf die höhere Stufe. Er schaute nach links. Soweit er es bei der schlechten Sicht erkennen konnte, war die Siedlung im Hintergrund noch weiter gewachsen und hatte die Natur ein gutes Stück zurückgedrängt.
    Als er laut Navi über die Kreuzung an der Römerstraße fuhr, hörte es schlagartig auf zu regnen. Wie abgepasst, dachte er, schließlich würde er gleich sein Ziel erreichen und er hatte keinen Schirm dabei.
    Schräg gegenüber dem Meerbecker Friedhof hielt er an. Obwohl Duisburg und Moers eine gemeinsame Stadtgrenze von beträchtlicher Länge besaßen, war er noch niemals in diesem Viertel gewesen. Nun gut, Moers war nicht Meerbeck, hatte er irgendwo einmal gehört. Oder war es genau umgekehrt? Zumindest wusste er, dass es auf dem Friedhof etliche sehr aufwendig gestaltete Gräber der Sinti und Roma gab. Schluss jetzt, rief er sich zur Räson, es hilft sowieso nichts, dich von deiner unangenehmen Aufgabe abzulenken, da musst du nun durch.
    Seufzend stieg er aus dem Wagen und lief auf eines der restaurierten Bergmannshäuser zu. Ihre Bauweise mit den abwechselnd weiß und dunkel gestrichenen Holzlatten in den Giebeln erinnerte ihn an skandinavische Holzhäuschen. Er durchquerte den gepflegten Vorgarten. Gleich würde er klingeln und eine mehr oder weniger heile Welt zum Einsturz bringen. Er atmete tief durch, dann war er bereit.

    Nachdem er mehrmals geklingelt hatte, öffnete Eva-Magdalena Yildiz die Tür und musterte ihn mit einem breiten Lächeln, das ihm die Aufgabe zusätzlich erschwerte. Warum musste ausgerechnet er dieser sympathischen jungen Frau den Tag und die nächsten Wochen oder Monate verderben?
    »Sie sind leichtsinnig, einem Fremden einfach die Tür zu öffnen«, sagte er statt einer Begrüßung.
    Eva-Magdalena Yildiz sah ihn an, als amüsiere sie diese Fürsorglichkeit.
    »Ich bin übrigens Hauptkommissar Pielkötter von der Duisburger Kriminalpolizei«, fuhr er fort, während er seinen Dienstausweis aus der Jacke zog.
    »Polizei?« Ihre Miene veränderte sich. Erst schien sie erstaunt zu sein, dann stand ihr der Schrecken ins Gesicht geschrieben. »Nein«, schrie sie plötzlich. »Nicht Ahmet, bitte!«
    »Es geht um Ihren Vater«, erklärte Pielkötter schnell. »Darf ich hereinkommen?«
    Sie nickte. Wirkte auf ihn nun wieder etwas entspannter. »Mein Mann ist Fernfahrer«, entgegnete sie, während sie ihn in den Wohnraum führte. »Er ist gerade auf einer Tour. Deshalb habe ich mich so erschreckt.« Mit einer Geste bedeutete sie ihm, auf einem niedrigen Sofa Platz zu nehmen. Vielleicht war es

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