Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder
dass ich mich über Ihren Geschmack bezüglich Ihres Reisegefährten wunderte.”
Als Lizzie die Hitze in ihren Wangen spürte, war sie zum ersten Mal in ihrem Leben froh darüber. Jeder andere Teil ihres Körpers war nämlich eiskalt. “Sie scheinen sich sehr schnell und sehr oberflächlich ein Bild von Mr. Carson gemacht zu haben.”
“Ich kann Charakter gut einschätzen”, antwortete er. “Und Mr. Carson scheint keinen zu besitzen, soweit ich das beurteilen kann.”
“Wie können Sie zu so einer Schlussfolgerung kommen, wenn Sie ihn nur beobachtet haben, und das auch noch in einem vollen Bahnhof?”
“Er hat Ihnen den Stuhl nicht hervorgezogen, als Sie sich setzten”, erklärte Morgan einen Hauch zu selbstgefällig. “Und Sie haben die Rechnung bezahlt. Um das zu sehen, reichte der eine oder andere Blick – die anderen habe ich mir für Sie aufgehoben.”
“Mr. Carson”, verkündete Lizzie, die sich gedemütigt fühlte, “reist als mein
Gast
. Darum habe ich sein Essen bezahlt. Er ist, wie ich Ihnen versichern kann, absolut solvent.”
“Wollen Sie ihn den McKettricks vorführen?”, zog Morgan sie auf. “Ich habe bisher nur einen von ihnen getroffen – Kade –, vor ein paar Wochen in Tucson. Er sagte mir, dass Indian Rock einen Arzt braucht und hat mir einen Raum im Arizona Hotel und jede Menge Patienten versprochen, wenn ich meine Praxis dort eröffne. Ehrlich gesagt, kam er mir nicht wie ein Mann vor, dem Typen wie Mr. Carson gefallen.”
Trotz aller Widersprüche, die sich in Lizzies Brust regten, hatte Morgan vermutlich recht. Kade und alle anderen McKettricks beurteilten die Menschen aufgrund ihres Verhaltens und nicht ihrer Worte. Whitley konnte unendlich viel Charme versprühen, aber er gehörte ganz offensichtlich nicht zu den Menschen, die auch einmal die Ärmel hochkrempelten und etwas in die Hand nahmen.
“Ich befürchte, Sie haben recht”, räumte sie traurig ein.
Morgan drückte erneut ihre Hand.
Der Wind peitschte gegen den Zug und ließ ihn bedrohlich schwanken. Lizzie sprach weiter, um das Schweigen zu durchbrechen.
“Haben Sie in Tucson als Arzt praktiziert?”
“Nein, in Chicago.” Er schwieg wieder.
“Wollen Sie mir allein das Reden überlassen?”, fragte Lizzie nach einer Pause.
“Ich bin kein großer Redner, Lizzie.”
“Erzählen Sie mir einfach etwas von sich. Irgendwas. Ich habe im Moment ziemlich große Angst, und wenn Sie nichts zum Gespräch beitragen, werde ich vermutlich auf Sie einreden, bis Ihnen die Ohren abfallen.”
Er lachte. “In Ordnung. Meinen Namen kennen Sie ja schon, Morgan Shane. Ich bin neunundzwanzig Jahre alt, in Chicago geboren und aufgewachsen und habe keine Geschwister. Mein Vater war Arzt, darum bin ich auch einer geworden. Er hat nach seinem Abschluss in Havard in Berlin studiert, weil er die medizinische Ausbildung in Amerika für armselig hält. Und genau wie er bin auch ich für eine Zeit nach Deutschland gegangen. Ich war nie verheiratet, obwohl ich einmal kurz davor stand – ihr Name war Rosalee. Ich habe mit meinem Vater zusammen die Praxis geführt, bis er starb. Vermutlich hätte ich dort weitergemacht, wenn ich mich nicht mit meiner Mutter zerstritten hätte. Also beschloss ich, Richtung Westen zu ziehen und landete in Tucson.”
Das waren mehr Informationen, als Lizzie sich erhofft hatte.
“Was wurde aus Rosalee?”, fragte sie ein wenig atemlos, weil sie eine Schwäche für Romantik hatte. Wann immer es ging, las sie Liebesromane und verzehrte sich nach den Helden. Die Frau musste auf tragische Weise ums Leben gekommen sein, und Morgans Herz war gebrochen. Vielleicht erklärte das, warum er so wenig sprach.
“Sie beschloss, lieber selbst Ärztin als die Frau eines Arztes zu werden und ging nach Berlin, um zu studieren. Oder war es Wien? Hab ich vergessen.”
Vor Staunen klappte Lizzies Mund auf.
Noch so ein schiefes Lächeln erhellte sein Gesicht. “Ich ziehe Sie nur auf, Lizzie. Sie brannte mit einem Mann durch, der als Buchhalter bei Sears and Roebuck arbeitete.”
Jetzt sah sie ihn misstrauisch an.
“Nun sind Sie dran. Was haben Sie mit Ihrem Leben vor, Lizzie McKettrick?”
“Ich möchte in Indian Rock als Lehrerin arbeiten.” Auf einmal wünschte sie sich, etwas Aufregenderes zu sein. Trapezkünstlerin vielleicht oder Porträtmalerin. Oder eine edle Krankenschwester, die tapfer gegen alle möglichen Krankheiten kämpfte.
“Bis sie heiraten und Kinder bekommen.”
Damit brachte er Lizzie
Weitere Kostenlose Bücher