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Ein Feuer Auf Der Tiefe

Ein Feuer Auf Der Tiefe

Titel: Ein Feuer Auf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
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Klauenwesen einzurichten. Doch im Falle Stahls war da auch ein wenig rachsüchtige Neugier gewesen; dieses Geschöpf war an so viel unnötigem Tod schuld. Was von Stahl übrig war, brauchte eigentlich keine medizinische Versorgung: Es gab ein paar blutige Kratzer (selbst zugefügt, wie Johanna vermutete) und ein ausgerenktes Bein. Aber das Rudel war ein erbärmliches, fast entnervendes Etwas. Es hatte sich in einer Ecke seines Pferchs zusammengedrängt, vor Entsetzen haltlos zitternd, mit hin und her zuckenden Köpfen. Von Zeit zu Zeit schnappte ein Kiefernpaar des Wesens auf und zu, oder ein Glied lief ein Stück den Zaun entlang. Ein Dreierrudel besaß keine menschliche Intelligenz, aber dieses konnte sprechen. Als es Ravna und Johanna sah, riss es die Augen auf, dass ringsum das Weiße zu sehen war, und sprach zu ihnen in rasselndem, kaum verständlichem Samnorsk. Die Rede war ein Alptraum, gemischt aus Drohungen und Bitten, sie möchten ›nicht schneiden, nicht schneiden!‹ Die arme Johanna hatte da zu weinen begonnen. Sie hatte den größten Teil eines Jahres voller Hass auf das Rudel zugebracht, von dem diese stammten, und dennoch: »Sie scheinen auch Opfer zu sein. Es ist schlimm, nur drei zu sein, doch niemand wird jemals zulassen, dass sie mehr werden.«
    »Gut«, fuhr Flenser fort. »Ich möchte für die Reste sorgen, ich…«
    »Niemals! Dieser war fast so klug wie du, wenn auch wahnsinnig genug, dass wir ihn besiegen konnten. Du wirst ihn nicht wieder aufbauen.«
    Flenser sammelte sich, alle Augen auf die Königin gerichtet. Seine ›Stimme‹ war weich: »Bitte, Holzschnitzerin. Es ist eine Kleinigkeit, aber ich werde eher alles scheitern lassen« – er deutete auf die Karten –, »als darauf zu verzichten.«
    »(Oh-oh.)« Die Armbrustschützen waren mit einem Mal schussbereit. Holzschnitzerin kam teilweise um die Karten herum, nahe genug an Flenser heran, dass ihre Denklaute aufeinanderstoßen mussten. Sie brachte alle Köpfe aneinander, um ihn gebündelt anzustarren. »Wenn es so unwichtig ist, warum dann alles dafür aufs Spiel setzen?«
    Flensers Glieder stießen für einen Moment gegeneinander und starrten sich gegenseitig an. Es war eine Geste, die Ravna bisher nicht gesehen hatte. »Das ist meine Sache! Ich meine… Stahl war meine großartigste Schöpfung. In gewisser Weise bin ich stolz auf ihn. Aber… ich bin auch für ihn verantwortlich. Fühlst du nicht dasselbe gegenüber Feilonius?«
    »Ich habe meine eigenen Pläne mit Feilonius.« Die Antwort kam widerwillig. »(Feilonius ist noch ganz; ich fürchte, die Königin hat zu viel versprochen, als dass sie jetzt viel mit ihm machen könnte.)«
    »Ich möchte Stahl das Leid vergelten, das ich ihm zugefügt habe. Du verstehst.«
    »Ich verstehe. Ich habe Stahl gesehen, und ich kenne deine Methoden: die Messer, die Angst, der Schmerz. Du wirst dazu keine neue Gelegenheit bekommen!«
    Für Ravna klang es wie entfernte Musik, weit von jenseits des Tales her, eine fremdartige Mischung von Akkorden. Doch es war Flenser, der antwortete. Pilgers Übersetzung enthielt keine Spur von Sarkasmus: »Keine Messer, kein Schneiden. Ich behalte meinen Namen, weil es bei anderen liegt, mir einen neuen zu geben, wenn sie schließlich akzeptieren werden, dass… auf ihre Art Tyrathect gesiegt hat. Gib mir diese Chance, Holzschnitzerin. Ich bitte dich.«
    Die beiden Rudel starrten einander mehr als zehn Sekunden lang an. Ravna blickte von einem zum anderen und versuchte, ihren Ausdruck zu deuten. Niemand sagte etwas. Nicht einmal Pilgers Stimme erklang in ihrem Ohr, um zu raten, ob dies eine Lüge war oder die Geburt einer neuen Seele.
    Es war Holzschnitzerin, die entschied. »Sehr gut. Du kannst ihn haben.«
    *
    Wanderer Wickwracknarb flog. Ein Pilger mit Legenden, die fast tausend Jahre zurückreichten – und nicht eine davon kam dem nahe. Er wäre in Gesang ausgebrochen, wenn das seine Mitreisenden nicht geschmerzt hätte. Sie waren schon über seine grobe Art betrübt, den Flieger zu steuern, obwohl sie glaubten, es läge einfach an seinem Mangel an Erfahrung.
    Wanderer drang in Wolken ein, flog zwischen ihnen und durch sie hindurch, tanzte in einem zufällig am Wege liegenden Gewitter. Wie viele Stunden seines Lebens hatte er zu den Wolken emporgestarrt, ihre Tiefe abgeschätzt – und nun war er in ihnen, erforschte die Höhlen in Höhlen in Höhlen, die Lichtdome.
    Zwischen zerstreuten Wolken erstreckte sich der Große Westliche Ozean in die

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