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Ein fliehendes Pferd

Ein fliehendes Pferd

Titel: Ein fliehendes Pferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser , Helmuth Kiesel
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möglich hinausgelehntes Gewicht und durch loseste Leinen das Boot gerade noch am Rande des Kenterns. Aber der Sturm nahm zu. Das Boot neigte sich schon. Helmut ließ einfach seine Leine los. Das Knallen und Knattern wurde unheimlich. Es war, als schlüge jemand auf sie los. Klaus Buch schrie: Daß du zufrieden bist, wir ref-fen! Er drehte das Boot mit dem Bug genau in den Wind. Das Boot richtete sich sofort auf. Gott sei Dank. Helmut konnte wieder atmen. Klaus Buch rief: Los, an die Pinne! Nimm sie zwischen die Beine! Halt das Boot genau im Wind! Nicht so zimperlich, Mensch! Nur hingelangt! Als wär’s ein Stück von dir! Er lachte und tanzte zum Mast. Helmut wußte nicht, wie er in diesem Toben und Knallen und Knattern mit diesem lächerlichen Stück Holz etwas ausrichten sollte. Er hatte das Gefühl, es sei Mitternacht. Plötzlich spürte er einen Druck auf der Pinne. Das Boot stand nicht mehr genau im Wind. Er ruckte. Aber in die falsche Richtung. Das Großsegel schlug quer weg. Klaus Buch brüllte etwas. Rannte auf Helmut zu, riß dem die Pinne aus der Hand, bückte sich nach Leinen. Helmut hatte das Gefühl, daß das Boot jetzt gleich kentern werde. Spätestens, wenn Klaus Buch das Großsegel wieder hereinholen würde, wenn wieder diese entsetzliche Lage entstehen würde. Als sich Klaus aufrichtete und mit Pinne und Leine arbeitete, um das Boot wieder unter Kontrolle zu bringen, als das Boot schon wieder anfing, sich zur Seite zu neigen, schrie Helmut: Nicht! Klaus Buch schrie: Wir heben ab! Und lachte. Unmäßig. Und hing in einer furchtbaren Art über das Boot hinaus. Er lag praktisch auf dem Rücken. Das Boot hatte wieder die entsetzliche Schräglage erreicht. Es war vorauszusehen, daß es in den nächsten Sekunden endgültig kentern würde. Komm, Schatz, brüllte Klaus Buch, ich brauch dein Gewicht. Helmut placierte sich auf dem Bootskörper, behielt aber sein Hauptgewicht innerhalb des Cockpits. Klaus Buch ließ sogar den Kopf noch nach hinten fallen und brüllte zum Himmel hinauf Lucy in the sky. Als Helmut sah, daß die über Bord laufenden Wellen jetzt gleich ins Cockpit schlagen würden, stieß er mit einem Fuß Klaus Buch die Pinne aus der Hand. Jetzt passierte alles gleichzeitig. Das Boot schoß wieder in den Wind. Klaus Buch stürzte rückwärts ins Wasser. Das Boot richtete sich auf. Der Wind kriegte es von der anderen Seite zu fassen. Helmut duckte sich gerade noch unter dem herüberschlagenden Großsegel durch. Dann kauerte er am Mast und sah nach Klaus Buch. Bevor der hinunter war, hatte Helmut noch einen Blick von ihm empfangen. Das Großsegel war losgerissen. Großsegel und Vorsegel flatterten voraus. Der Wind kam von hinten. Trotz des Geknatters der Segel war es jetzt plötzlich viel ruhiger. Helmut stand vorsichtig auf, suchte die weißen Wellenkämme und die dunklen Wellentäler ab. Er brüllte: Klaus! Immer lauter brüllte er: Klaus! Klaus! Als er das Gefühl hatte, er brülle jetzt nur noch sich zuliebe, hörte er auf. Sei still, dachte er. Fang jetzt überhaupt nichts an. Sei bloß still. Klaus müßte sich retten können. Ein solcher Sportler. Sollten sie je kentern, hatte Klaus doziert, müsse man sich von den Wellen tragen lassen. Nie versuchen, ein näher liegendes Ufer gegen die Wellen zu erreichen. Es sei überhaupt kein Problem, MIT den Wellen 5 Kilometer zu schwimmen, aber unmöglich, gegen sie 500 Meter. Überhaupt kein Problem. Also bitte. Idiot. Schluß. Du hast es nicht gewollt. Du hast es doch nicht gewollt! Also bitte. Warum verteidigst du dich dann? Du hast es nicht gewollt. Schluß. Klaus kann sich retten. Du aber nicht. So ist das. Er würde sich an dieses Boot klammern. Wenn es sinken würde, würde er auch sinken. Aber vielleicht sank es nicht. Klaus Buch hatte etwas über Auftriebskörper gesagt. Er suchte nach Stellen, an denen er sich festklammern konnte. Er wollte nicht mehr hinausschauen. Aber dem Knallen und Knattern nach mußte er immer noch Fahrt machen. Es war jetzt ziemlich dunkel. Es regnete. Klaus … Ach Sabine, wenn du wüßtest. War er je so zerschlagen gewesen. Er heulte auf. In den letzten Monaten, in denen er noch geschlechtlich mit Sabine verkehrt hatte, hatte er genau dieses Gefühl erlebt, das Gefühl, vernichtet zu sein. Jedes Mal war es, als habe er einen nicht wieder gut zu machenden Fehler begangen. Jedes Mal hatte er so geheult. Ein lang gezogenes, immer höhere Töne erreichendes Heulen. Er hatte das Gefühl gehabt, er könne sein Leben nur

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