Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
vernünftig genug, nicht auf die Duellanten zuzulaufen. Sie blieb abrupt stehen und folgte dem Geschehen mit weit aufgerissenen Augen. Sie war zu spät gekommen, um den Kampf zu verhindern. Nun musste sie sich zurückhalten, so schwer es ihr auch fiel. Denn sie durfte Nicholas auf keinen Fall ablenken.
Obwohl sie noch nie einem Fechtkampf beigewohnt hatte, erkannte sie bald, dass die Gegner einander nur auf den ersten Blick ebenbürtig schienen. Beide waren etwa gleich groß, beide hatten in etwa die gleiche Reichweite, beide waren flink auf den Beinen.
Schon nach kurzer Zeit allerdings zeigte sich, dass Nicholas der Überlegene war. Sein Körper war muskulöser, sein Gleichgewichtssinn ausgeprägter, seine Reaktionsgeschwindigkeit besser. Er schien im Voraus zu ahnen, was Jasper plante, und konnte dessen Angriffe daher stets geschickt abwehren. Zwar kämpfte er lieber mit den Fäusten, doch einst hatte er auch Fechtunterricht genommen, und glücklicherweise hatte er nichts Wichtiges vergessen. Jasper allerdings trainierte regelmäßig mit einem Fechtlehrer. Er war der Geübtere, der mit der besseren Taktik. Doch das ausschweifende Leben hatte seine Kräfte angegriffen. Zudem fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren.
Serena stand reglos. Nur ihr Herz raste, und die Kehle war ihr vor Angst wie zugeschnürt. Was, wenn Nicholas strauchelte? Was, wenn er auch nur einen Moment lang in seiner Aufmerksamkeit nachließ? Was, wenn … Es gab so viel, das schiefgehen konnte!
Ein Vogel begann zu singen, verstummte jedoch gleich wieder. Und jetzt erst wurde Serena klar, wie unnatürlich still die Natur war. Auch von den Sekundanten war nichts zu hören. Nur das Zischen der Klingen war zu vernehmen und das Klirren, wenn sie aufeinanderschlugen. Da die Duellanten keine Schuhe trugen, bewegten sie sich beinahe lautlos. Vor und zurück, nach recht und nach links … Auf absurde Weise erinnerten ihre Schritte, Sprünge, Körperdrehungen und Armbewegungen an einen Tanz.
Es dauerte nicht lange, bis Jasper zu keuchen begann und seine Haut einen ungesunden wächsernen Ton annahm. Seine Wangen allerdings glühten vor Anstrengung. Sein Hemd war schweißnass.
Nicholas’ Äußeres verriet ebenfalls erste Anzeichen der Anstrengung. Er schwitzte. Doch noch atmete er gleichmäßig. Und auch sonst wies nichts darauf hin, dass seine Kräfte nachließen. Er kämpfte überlegt, konzentriert und geduldig. Irgendwann würde sein Gegner einen Fehler machen und ihm die Chance zum Sieg bieten.
Jaspers Handgelenk begann zu schmerzen. Bisher hatte er den größten Teil der Angriffe ausgeführt, während sein Cousin sich meist darauf beschränkt hatte, die Klinge seines Gegenübers abzuwehren. Jetzt allerdings griff Nicholas immer öfter an.
Obwohl Serena wenig über den Fechtsport wusste, wurde ihr irgendwann klar, dass sie ein Katz-und-Maus-Spiel beobachtete. Ein paarmal schon hätte Nicholas seinem Gegner eine schwere Wunde zufügen können. Doch er verzichtete darauf. Warum? Serena, die sich nichts sehnlicher wünschte als das Ende des Kampfes, hätte ihm am liebsten zugerufen, er solle endlich zustechen.
Jaspers Nervosität nahm zu. Er spürte, dass er nicht mehr lange würde durchhalten können. Verzweifelt warf er sich seinem Cousin entgegen, versuchte, mit dem Degen dessen Schulter zu treffen. Nicholas wehrte den Schlag ab und berührte mit der Spitze der Waffe die Brust seines Gegners. Der schrak zurück und stellte erstaunt fest, dass Nicholas ebenfalls zurückwich.
„Verflucht“, schrie er. „was soll das, Nick? Was willst du von mir?“
„Die Wahrheit“, gab der zurück, ehe er mit leichter Hand einen neuen Angriff abwehrte. „Ein Geständnis, Jasper! Ich bin über deine üblen Unternehmungen im Bilde. Aber ich möchte, dass du dich zu deinen Verbrechen bekennst.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!“ Er wollte zur Seite springen, doch da hatte Nicholas’ Klinge ihm bereits eine oberflächliche Verletzung am Arm zugefügt.
„Lass das verbinden! Und dann wollen wir die Sache zu Ende bringen.“
„Aber der Kampf ist entschieden“, stellte Charles fest. „Deiner Ehre ist Genüge getan, Nick.“
„Keineswegs“, widersprach der. „Der Arzt soll seine Wunde versorgen.“
„Nick!“ Charles legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.
Er schüttelte sie ab. „Ich bin noch nicht mit Jasper fertig!“
„Nicholas!“ Er fuhr herum, als er Serenas Stimme hörte. „Bitte, hören Sie
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