Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
„Ich muss Ihnen sagen, Sir, dass ich damit, wie Sie meine Cousine behandelt haben, ganz und gar nicht einverstanden bin. Ich würde Sie fordern, wenn ich nicht wüsste, dass Sie bereits eine Verabredung bei Sonnenaufgang haben.“
Nicholas musterte ihn erstaunt. „Bitte, glauben Sie mir: Die Ehre und das Glück Ihrer Cousine liegen mir sehr am Herzen. Es besteht keinerlei Grund, mir den Fehdehandschuh hinzuwerfen.“
„Ich wusste es!“, rief Georgie, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihrem Bruder einen Kuss auf die Wange. „Du liebst sie und wirst sie heiraten!“
„Still jetzt“, befahl Nicholas ihr. „Ich bringe dich gleich nach Hause. Und wenn du auch nur einen Funken Verstand besitzt, wirst du Melissa gegenüber kein Wort von dem erwähnen, was sich hier zugetragen hat.“
„Ich schwöre es!“
„Soll ich Sie ein Stück mitnehmen, Mr. Stamppe?“, fragte Nicholas.
„Danke, nein. Ich muss unbedingt noch heute mit meiner Cousine sprechen.“
„Davon haben Sie mir gegenüber gar nichts erwähnt“, meinte Georgie gekränkt.
„Es handelt sich um etwas … etwas Privates.“
„Schon gut, Ihre Geheimnisse interessieren mich nicht“, stellte Georgie kühl fest.
Nicholas reichte ihr den Arm. „Bitte, erwähnen Sie Serena gegenüber meine … Verabredung nicht“, sagte er über die Schulter zu Edwin.
Doch der versuchte gerade, von Charles Näheres über das bevorstehende Duell zu erfahren, und hörte Nicholas letzten Satz nicht.
Serena lief selbst zur Tür, als der Klopfer ertönte. Mit einer unmissverständlichen Geste schickte sie den Diener fort, der herbeigeeilt war. Sie war sicher, dass niemand anders als Nicholas vor der Tür stehen würde. Daher hatte sie sich auch nicht die Mühe gemacht, ihren dünnen Morgenmantel gegen ein Kleidungsstück einzutauschen, das weniger von ihren weiblichen Formen enthüllte.
„Edwin!“ Sie starrte ihn an.
„Darf ich hereinkommen, Cousine Serena?“
Sie führte ihn in den Kleinen Salon.
„Geht es Ihnen gut?“, wollte er wissen.
„Sie machen sich Sorgen wegen meiner Auseinandersetzung mit Mr. Lytton?“
„Nun, er hat jetzt erst einmal eine andere Schlacht zu schlagen.“
„Wovon sprechen Sie?“
Er errötete und versuchte, das Thema zu wechseln. Doch Serenas Hartnäckigkeit hatte er nichts entgegenzusetzen. Kurze Zeit später war sie über die Ereignisse, soweit ihr Cousin sie kannte, informiert.
Serena war außer sich. „Ein Duell? Welche Dummheit! Wie kann er es wagen?“
„Wenn er Sie heiraten will, ist es seine Pflicht, Ihre Ehre zu verteidigen“, stellte Edwin fest. Nur um schockiert zu beobachten, wie Serena mit dem Fuß aufstampfte und schrie: „Wir werden nicht heiraten!“
Zuerst verwirrt und dann zornig starrte er sie an. „Aber Sie müssen heiraten! Ich meine, wenn Sie es nicht tun … Ihr Ruf …“
„Mein Ruf geht nur mich etwas an“, unterbrach sie ihn. „Sagen Sie mir lieber, was Sie hergeführt hat.“
Er zog einen Brief aus der Rocktasche und überreichte ihn ihr. „Von meinem Vater. Ich hätte ihn fast vergessen. Aber Papa meinte, es sei wichtig. Und Sie würden schon verstehen …“ Er zuckte die Schultern.
Serena brach das Siegel und fand ein Schreiben ihres Onkels sowie einen offenbar sehr alten Brief. Die Handschrift kam ihr gänzlich unbekannt vor.
„Ich erinnere mich noch genau daran, wie böse Sie wurden, als ich Ihren Vater einen Mörder nannte“, sagte Edwin. „Damals wurde mir klar, dass ich eigentlich nichts über diese lang zurückliegende Geschichte wusste. Deshalb habe ich mich an meinen Vater gewandt. Er hat sich sehr aufgeregt, aber meine Fragen nicht wirklich beantwortet. Schließlich hat er mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, dass es ihm leidtut.“
„Sonst nichts?“ Serena hoffte sehr, dass Mathew seinen Sohn nicht mit einem Geständnis seiner Mordabsichten belastet hatte.
„Nein. Er bat mich, Ihnen diesen Brief so bald wie möglich zu geben. Das war alles.“
Serena starrte auf die Papiere, die sie in der Hand hielt, und spürte, wie eine seltsame Erregung von ihr Besitz ergriff. „Vielen Dank, Cousin Edwin. Ich glaube, ich möchte jetzt allein sein.“
Er nickte verständnisvoll.
Als er die Tür bereits geöffnet hatte, rief Serena ihn noch einmal zurück. „Wo soll dieses Duell stattfinden?“
„In Tothill Fields. Das hat jedenfalls Avesbury behauptet.“ Dann fiel ihm ein, dass Frauen manchmal seltsame Dinge taten. „Sie werden doch niemandem etwas davon
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