Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)
Kriegsgericht gehört. Ihn vor seinen Männern zu erschießen, war ein unverzeihlicher Fehler. Darüber müssen wir nicht diskutieren.«
Himmler wollte etwas erwidern, aber Göring hob leicht die Hand.
»Lassen Sie mich bitte ausreden. Meiner Ansicht nach gilt es zwei Punkte zu beachten. Erstens dürfen wir unser Gesicht nicht verlieren. Wenn wir Hansen gleich wieder abservieren, gestehen wir unser Versagen ein. Das passt mir nicht. Zweitens hat der Mann – abgesehen von seinem Fehlverhalten – Resultate geliefert. Straubinger war ein Verräter, er hat Krauss gerettet und mit den Briten zusammengearbeitet. Dass wir das wissen, verdanken wir Hansen. Mit seinen Methoden und seinem Riecher hat er Straubinger in einem atemraubenden Tempo überführt. Darauf versteht er sich. Und bevor Sie von mir verlangen, dass wir Hansen in die Wüste schicken, denken Sie daran, dass der Verräter im OKW noch nicht enttarnt ist. Straubinger hat glaubhaft versichert, damit nichts zu tun zu haben. Wenn doch, hätte Hansen das aus ihm herausbekommen.«
Er legte eine Pause ein, betrachtete Himmler, dessen durch die Brillengläser verkleinerte Augen seinerseits auf ihm ruhten. Göring sah sich außerstande, aus dieser hässlichen Visage irgendwelche Emotionen herauszulesen. Von Himmlers Reaktionhing vieles ab. Wenn der Reichsführer-SS seiner Argumentation folgte, war erst mal alles in Butter.
»Folgendes Angebot: Wir geben Hansen noch ein paar Monate, um den Verräter im OKW zu enttarnen. Wenn er den Auftrag erledigt hat, setzen wir ihn ein paar Wochen später ab. Dann wird niemand mehr danach fragen, warum wir ihn überhaupt installiert haben. Vielleicht schicken wir Hansen an die Front, wo er auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Wie klingt das?«
Himmler schob seine Brille mit dem Finger zur Nasenwurzel, eine beiläufige Geste höchster Konzentration.
»Klingt vielversprechend«, sagte er. »Aber verraten Sie mir eines: Wo schaffen Sie die Leichen hin, die Hansens effektive Recherche hinterlässt?«
»Es wird keine Toten mehr geben«, sagte Göring. »Das werde ich ihm einbläuen. Sollte er gegen diese Regel verstoßen, ist er weg. Keine Ausnahme.«
»Alles schön und gut. Es setzt jedoch voraus, dass sich Hansen an das hält, was man ihm befiehlt. Das wäre ein guter Zeitpunkt, um Schulz-Kampfhenkel dazuzuholen. Er hat auf meine Bitte hin ein Gutachten über Hansen erstellt. Kennen Sie Hansens Pläne, die Guyanas in Südamerika zu erobern?«
»Vage«, antwortete Göring. Was in gewisser Hinsicht stimmte. Hansen hatte sie ihm zwar vorgetragen, aber Göring hatte aus Desinteresse kaum zugehört. Himmler lächelte süffisant.
»Schulz-Kampfhenkel kann diese Wissenslücke schließen. Sie werden begeistert sein.«
Himmler erhob sich, um den vor der Tür Wartenden hereinzuholen. Göring forderte den Untersturmführer mit einem Nicken auf, seine Ergebnisse vorzutragen.
»Ich kann Ihnen natürlich nur Auszüge meines Gutachtens referieren«, begann Schulz-Kampfhenkel und vergewissertesich mit einem Blick auf Himmler, dass dieser einverstanden war.
»Fangen Sie mit der Beurteilung Hansens an«, empfahl der Reichsführer-SS. »Mit besonderer Berücksichtigung von Hansens Bereitschaft, sich unterzuordnen.«
Schulz-Kampfhenkel räusperte sich.
»Wenn ich sage, dass das nicht seine Stärke war, ist das die halbe Wahrheit. Hansen hat ab einem gewissen Punkt nur das getan, was seinen eigenen Interessen diente oder ihm richtig erschien. War das deckungsgleich mit dem, was ich wollte, hatte ich Glück. Stand er einer Sache ablehnend gegenüber, war es so gut wie unmöglich, ihn davon zu überzeugen. Hansen ist mir so lange gefolgt, wie es für ihn nützlich war. Die meiste Zeit führte er ein Eigenleben.«
»Wie sah das aus?«, fragte Himmler. Göring schien es, als spielten seine Gäste ein Theaterstück für ihn. Zwei Edelmänner schütten einen Kübel Dreck aus über einen, dessen verdorbener Charakter ihre Ehre beschmutzt. Eine Lachnummer.
»Hansen sonderte sich ab. Entweder war er auf der Jagd, manchmal tagelang, oder er verschwand in seinem Zelt. Wollte mit niemandem von uns etwas zu tun haben. Als ihn Kahle mal zum Kartenspielen dazubitten wollte und sein Zelt betrat, hätte Hansen ihm fast das Messer in den Bauch gerammt. Alle haben ihn gefürchtet. Die letzten Wochen am Jary musste ich mit ihm allein verbringen. Wir haben nur das Nötigste miteinander gesprochen. Er war mir unheimlich, lief herum wie ein Indianer, stets auf
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