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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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gehofft, endlich zum Mittagessen übergehen zu können.
    »Während meiner Jary-Expedition habe ich wesentliche Gebiete genauestens kartographiert, einen Großteil davon mit modernstem technischem Gerät aus der Luft. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass detailliertere Karten dieser Region existieren.«
    Göring horchte auf. Zumindest das klang einigermaßen interessant.
    »Können Sie das näher erläutern?«, fragte er.
    Schulz-Kampfhenkel lächelte erfreut.
    »Aber sicher. Wenn Sie wollen, liefere ich Ihnen einen ausführlichen Bericht. Ich habe eine Arbeitsgemeinschaft von Piloten, Wissenschaftlern und Potentaten gegründet, um meine Methoden zu verfeinern. Heute steht wesentlich ausgefeilteres Gerät zur Verfügung als beim Antritt unserer Amazonas-Reise. Ich bin auf jeden Fall überzeugt davon, dass der topographischen Erfassung aus der Luft die Zukunft gehört. Wir werden in der Lage sein, Karten zu erstellen, die auf wenige Meter genau sind. Aus militärischer Sicht kann das ein ungeheurer Vorteil sein.«
    »In der Tat. So einen Bericht hätte ich gerne schnellstmöglich auf meinem Schreibtisch. Dann unterhalten wir uns ausführlich darüber«, sagte Göring und legte beide Hände auf die Tischplatte, als wolle er jeden Moment aufstehen.
    »Meine Herren, ich möchte zum Ende kommen. Ihre kühnen Guyana-Pläne kann ich heute nicht abschließend beurteilen, Herr Schulz-Kampfhenkel, das mögen andere tun. Der Reichsführer-SS zum Beispiel. Ich bin aber froh, dass Sie mir bestätigen, dass Hauptsturmführer Hansen sowohl militärischen Weitblick als auch eine nationalistische Gesinnung besitzt. Dass er ein schwieriger Mensch ist, darin sind wir uns einig, wenn wir das auch unterschiedlich bewerten mögen. Aber, und das dürfen wir hier nicht vergessen, Hansen liefert Ergebnisse. Deshalb bleibe ich bei meiner Entscheidung, ihn im Amt zu belassen, unter den Bedingungen, die wir vorhin unter vier Augen besprochen haben, Herr Reichsführer.«
    Himmler zupfte sich gelangweilt ein Stäubchen vom Ärmel. Göring erhob sich.
    »Und nun möchte ich Sie beide zum Mittagessen einladen. Mit einem leeren Magen entlasse ich Sie nicht in diesen kalten Wintertag.«
    Das wird mir eine freudlose Tischgemeinschaft werden, bemitleidete Göring sich. Nun ja, er würde Schulz-Kampfhenkel ein paar Amazonas-Geschichten erzählen lassen. Diese Nervensäge hörte sich gerne reden, konnte ihm aber noch mal nützlich sein. Genauso wie Hansen. Man musste immer das Ziel im Blick behalten, dachte Göring. Wie man es erreichte, war nebensächlich. Es zählte nur der Triumph. Und den genoss man am besten allein. Wenn die Zeit gekommen war, würde er sich von Hansen trennen müssen. Und dieser Drecksau keine Träne nachweinen.

30.
B ERLIN
    18. Januar 1940
Reichssicherheitshauptamt
    Hansen stand in seinem kümmerlichen Büro am Fenster und schaute auf die winterliche Stadt. Langsam hatte er den Anblick satt. Er sehnte sich zurück nach der Wärme des Dschungels, die einen umhüllte wie ein Kokon. Gefroren hatte er dort nie. Hansen wusste nicht einmal, ob es ein indianisches Wort für »frieren« gab. Hier dagegen schien es ihm, als beherrschte die Kälte das gesamte Sein. Die Temperaturen lagen in den vergangenen Tagen um minus zwanzig Grad, Meteorologen sprachen vom strengsten Winter in diesem Jahrhundert. Selbst große Flüsse wie der Rhein und die Elbe waren teilweise zugefroren, die Schifffahrt, aber auch der Schienenverkehr waren stark eingeschränkt. Hansen erinnerte sich nicht, jemals solchen Frost erlebt zu haben. Unter den Hausdächern hingen armdicke Eiszapfen wie gigantische Stalaktiten, die einen Fußgänger leicht aufspießen konnten. Erst hatte es monatelang gegossen wie aus Kübeln, jetzt gefror einem der Speichel im Mund.
    Dabei machte es für Hansen keinen Unterschied, ob man vor oder hinter der Scheibe stand. Auch in den beheizten Stuben fröstelte man; doch war es hier der unterkühlte Umgangston, der für ein Klima der Angst und Missgunst sorgte. Himmler hatte ihn am Morgen zurechtgestutzt wie einen Schuljungen. Aus seinen Worten sprach eine solche Missbilligung, dass er sich fragte, wieso der Reichsführer-SS ihn überhaupt gewähren ließ. Als Antwort fiel ihm nur Hermann Göring ein. Noch hielt der Reichsfeldmarschall seine Hand überihn, aber auch dessen Protektion drohte zu bröckeln. Göring hatte ihn ins Luftfahrtministerium bestellt und dort nach Strich und Faden zur Sau gemacht. Natürlich war es nicht schlau

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