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Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Ein fremder Feind: Thriller (German Edition)

Titel: Ein fremder Feind: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Isringhaus
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aus dem Sarg oder den Tiefen der Gruft, dann hätte er wohl an seinem Verstand gezweifelt oder geglaubt, dass sich jemand einen Scherz mit ihm erlaube, sondern tief in sich selbst. Seine verstorbene Frau sprach zu ihm, sandte ihm Botschaften, manchmal trat er sogar in einen Dialog mit ihr. Aber heute herrschte eine geradezu beängstigende Stille. Carin schwieg. Natürlich sagte sich Göring, wenn er die Sache rational betrachtete, dass er sich ihre Stimme einbildete, sie aus seiner Erinnerung rekonstruierte. Doch ein Teil von ihm, und nicht einmal der allerkleinste, wollte daran glauben, dass sie ihn nie komplett verlassen hatte.
    »Weißt du, Carin, ich habe es wirklich nicht leicht«, sagte er kleinlaut und nestelte dabei an seiner Fellmütze herum. »Ich glaube, der Führer hasst mich. Er ist so … so launisch. Heute will er dies, morgen das, alles im Kommandoton. Immer dreht er sich gleich weg, wenn er mit mir redet, schaut mich nicht einmal an. Nie ein Wort des Lobes. Aber wehe, es geht mal was daneben. Dann rastet er aus, spuckt und geifert. Carin, ich halte das nicht mehr aus. Früher standen Hitler und ich treuSeite an Seite, da waren wir Kampfgenossen. Brüder. Unzertrennlich. Nun benutzt er mich nur noch, weiß, dass er meine Luftwaffe braucht und dass die Menschen mich lieben. Wenn das nicht wäre …«
    Er schaute im Halbdunkel auf den steinernen Sarg, in den Carins Name eingraviert war. Gab ihr wieder Zeit. Aber das Einzige, was er hörte, war ein leises Tröpfeln am Tor. Carin, liebste Carin, bitte tröste mich, jammerte er im Geiste, ich fühle mich so verloren. Nichts.
    »Es ist auch dieser verdammte Krieg. Natürlich muss das Deutsche Reich zusehen, dass es seinen Platz behauptet im Konzert der Großen, dass es seine Macht demonstriert, seine unnachgiebige Härte. Aber das hat es bereits getan. Uns gehört jetzt ein ordentliches Stück Europa. Polen ist gefallen und eingemeindet. Nicht eine Sekunde gab es Zweifel am deutschen Sieg. Unsere Bilanz ist ungetrübt. Doch der Führer ist damit nicht zufrieden. Er ist nie zufrieden, drängt weiter und weiter. Es geht alles viel zu schnell. Dieses Tempo halten wir nicht lange durch. Woher soll ich nur die vielen Flugzeuge nehmen? Und womit soll ich sie beladen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir irgendwann scheitern. Und dann wird der Führer mit dem Finger auf mich zeigen. Das weiß ich ganz bestimmt. Ich werde das alles ausbaden dürfen, ich allein.«
    Er tat so, als ob er schluchzte. Das hatte bei Carin zu Lebzeiten meistens funktioniert. Sie war ein einfühlsamer Mensch. Gewesen. Im Tod schien sie sein Lamento zu durchschauen. Vielleicht half ja ein wenig Schwärmerei.
    »Weißt du, Carin, ich denke oft an unsere gemeinsame Zeit zurück. Damals schien alles erleuchtet. Das lag natürlich auch an dir. Wir mussten eintreten für unsere Überzeugungen, haben uns gegenseitig den Rücken gestärkt. Es war nicht einfach, aber schön. Wir haben nach den Sternen gegriffen. Ich hätte sie dir so gerne zu Füßen gelegt, aber du hast michzu früh verlassen, hast mir nicht mehr die Chance gegeben, dir meine Liebe zu beweisen. Jetzt ist da niemand mehr. Niemand, der mich so liebt, wie du mich geliebt hast, und den ich so liebe, wie ich dich geliebt habe.«
    Göring sah sich verstohlen um. Nicht, dass ihn jemand hörte. Emmy sprach mit ihm zwar niemals über seinen Carin-Kult, aber die Zwiesprache mit seiner ersten Frau war nun wirklich nicht für die Ohren seiner jetzigen Gattin bestimmt. Doch da war nichts, was ihn verdächtig stimmte. Hier draußen durfte sich ohne seine Erlaubnis sowieso niemand aufhalten.
    »Carin, bitte sprich mit mir«, flehte er. Nicht einmal mehr die Toten wollten mit ihm reden. Es war zum Verzweifeln. Er lauschte angestrengt. Vergebens. In ihm herrschte totale Leere. Göring war auf sich gestellt. Er seufzte laut.
    »Na gut«, sagte er. »Ich bin dir nicht böse. Du hast es auch nicht leicht.«
    Der Reichsfeldmarschall erhob sich, setzte seine Mütze auf und zog seinen rechten Handschuh aus. Er führte die Finger an seine Lippen und legte die Hand auf den kalten Stein des Sargs.
    »Meine Liebe. Ruhe sanft.«
    Göring stülpte den Handschuh wieder über, drehte sich um und verließ die Gruft. Noch einsamer als zuvor stapfte er zurück zum Anwesen. Als er die äußeren Flügel Carinhalls erreicht hatte, sah er einen Mercedes über die Auffahrt heranrollen. Das musste Himmler sein. War es schon so spät? Göring hatte die Zeit aus

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