Ein frivoler Plan
Töchter auf die Gefahren hinzuweisen, die von diesem Mann ausgingen.
Es war Paine Ramsden, dritter Sohn eines Earls, in weniger freundlichen Kreisen bekannt als ein Schurke, dessen Ruf so schlecht war, dass man ihn in der guten Gesellschaft nicht empfing. Julia hatte schnell erfahren, dass er an diesem Tanzabend nur seiner Tante zuliebe teilnahm, der Dowager Marchioness of Bridgerton, Lily Branbourne, die trotz der öffentlichen Empörung wegen seiner zweifelhaften Moral bekannte, dass er ihr Lieblingsneffe war.
Julia lächelte in sich hinein. Paine Ramsden stand in dem Ruf, ein unwiderstehlicher Charmeur zu sein, der ebenso großzügig mit seiner Zuneigung verfuhr wie mit seinen Finanzen. In jener Nacht im Ballsaal machten zudem andere Gerüchte die Runde – dunklere, gegen die Frauengeschichten und eine Neigung zur Verschwendung harmlos waren. Gerüchte über Zeiten im Ausland, als Strafe für ein Duell wegen einer Frau. Und damit hörten die Verdächtigungen noch nicht auf. Es wurde erzählt, seit seiner Rückkehr lebe er genusssüchtig am Rande der Halbwelt, nachdem er sich einen heruntergekommenen Spielsalon gekauft hatte, um seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen.
Diese Neigungen waren Julia gleichgültig. Je ausschweifender sein Lebensstil, desto weniger wahrscheinlich war es, dass er am Morgen von falschem Ehrgefühl überwältigt wurde. Damit war ihre Wahl auf Paine Ramsden gefallen. Jetzt kannte sie die Richtung, in die sie gehen würde. Nun musste sie ihn nur noch finden und davon überzeugen, ihr die Unschuld zu nehmen. Was Letzteres betraf, so trug sie ihre Perlenohrringe in einem kleinen Beutel bei sich, um ihm das Geld zu geben, das er brauchte, um die Tat zu vollziehen. Ein Spieler wie er würde wissen, wo er sie versetzen konnte. Ja, das wäre einfach. In Anbetracht seiner armseligen gesellschaftlichen Stellung wäre es schwerer, ihn ausfindig zu machen.
Wenn sie auch nicht wusste, wo er sich aufhielt, so hatte sie doch eine recht gute Vorstellung davon, wo er sich nicht aufhielt. Sie würde ihn auf keiner der Soireen oder Musikabende finden, die heute stattfanden. In keinem der beliebten Gentlemen’s Clubs oder Spielhallen würde er anzutreffen sein. Der Klatsch sagte, dass er Räume in der Jermyn Street bezogen hatte. Die Chance, ihn dort anzutreffen, war nicht besonders groß, aber dort wollte sie beginnen, auch wenn sie von Tür zu Tür gehen und nach ihm fragen müsste. Die Vermieterin oder ein Nachbar wussten vielleicht, wo er den Abend verbrachte. Um diese späte Stunde würden bestimmt nur wenige Menschen ihre Anwesenheit bemerken.
Julia warf noch einen Blick auf die Uhr. Noch acht Stunden bis zum Einbruch der Nacht. Acht Stunden, um ihre Tante und ihren Onkel davon zu überzeugen, dass sie ihre Entscheidung akzeptierte und dass sie an diesem Abend zu Hause bleiben und an ihrer Aussteuer arbeiten wollte. Nein, das klang verdächtig in Anbetracht der Tatsache, dass sie Handarbeiten verabscheute. Besser wäre es, mit ihnen auszugehen und dann irgendwann zu verschwinden. Lady Moffats Abendgesellschaft würde gut besucht sein, und ihre Tante und ihr Onkel würden kaum mehr auf sie aufpassen, wenn ihre Tanzkarte erst voll war.
Es würde nicht schwierig sein, unauffällig durch ein rückwärtiges Gartentor zu entkommen, ohne sofort vermisst zu werden. Ihr Onkel würde im Kartenzimmer sein und sich nicht darum kümmern, was im Ballsaal geschah. Ihre Tante würde in Gespräche mit ihren Freundinnen vertieft sein und Julia bei den Farradays vermuten, die bei solchen Anlässen oft die Anstandsdamen spielten.
Entschlossen, den einmal gefassten Entschluss auch auszuführen, widmete Julia ihre Aufmerksamkeit dem großen Eichenschrank in der Ecke. Sie öffnete die Tür, und diese gab den Blick frei auf ein Dutzend Kleider aus feinster Seide und anderen edlen Stoffen. Inzwischen sah sie die Kleider mit neu erwachtem Zynismus an. Ihr Onkel hatte keine Kosten gescheut, seine Nichte für die neue Saison auszustaffieren. Die Gründe für diese Extravaganz lagen auf der Hand.
Julia klopfte mit einem Finger gegen ihr Kinn. Sie musste eine letzte Entscheidung treffen: Was trug ein Mädchen anlässlich seines Ruins?
2. KAPITEL
„Ich hätte nie gedacht, dass Sie Asse in der Hand halten!“ Voller Abscheu warf Gaylord Beaton, der junge Mann, der gegenüber von Paine Ramsden am Spieltisch saß, seine Karten auf den Tisch. „Heute Abend haben Sie teuflisches Glück, Ram.“
Die anderen an jenem Tisch
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