Ein frivoler Plan
beiden Männern kurz zu. „Ich wünsche noch einen guten Tag“, sagte sie, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und ging hinaus, ehe die Männer erkennen konnten, welche Furcht sie bei diesen gedankenlosen Verhandlungen in ihr geweckt hatten.
Sobald sie in ihrem Zimmer war, sperrte Julia ihre Tür ab und lehnte sich gegen das feste Eichenholz, suchte Trost in der Berührung des soliden Materials. Die kleine Uhr auf dem Tisch unter dem Fenster zeigte, dass das ganze abscheuliche Gespräch nicht länger als zwanzig Minuten gedauert hatte. Es war noch nicht ganz elf Uhr am Vormittag, und ihr Leben war nahezu ruiniert. Die gute Nachricht dabei bestand darin, dass ihr Leben eben nur nahezu ruiniert war.
Vermutlich könnte alles noch schlimmer sein. Oswalt und ihr Onkel hätten den Vertrag bereits unterzeichnet haben können. Oswalt hätte mit einer Heiratserlaubnis und einem Pfarrer im Schlepptau kommen und sie im Arbeitszimmer heiraten können.
Julia erschauerte und dachte, dass das unwahrscheinlich wäre, da sein Arzt nicht bei der Hand war, um ihre Jungfräulichkeit zu bestätigen. Fünf Tage. Mehr Zeit hatte sie nicht, ungeachtet der Möglichkeit, dass der Arzt auch früher in die Stadt zurückkommen könnte oder dass Mortimer Oswalts Wunsch nach Eile ihn veranlassen könnte, einen anderen Mediziner zu engagieren, der nicht verreist war.
Es war Zeit zu handeln, wenn sie nicht unter Oswalts Herrschaft leben und auf sein baldiges Ende hoffen wollte. Die Ereignisse im Arbeitszimmer hatten sie nicht im Zweifel darüber gelassen, dass weder ihre Proteste noch die Gesetzgebung sie jetzt retten würden. Es stimmte, dass ein Gesetz verabschiedet worden war, welches Paaren erlaubte, ohne elterliche Zustimmung zu heiraten, aber es verbot den Eltern nicht, eine Ehe zu arrangieren.
Die finanzielle Lage ihres Onkels war ihr auf schmerzliche Weise überaus deutlich gemacht worden, ebenso die Gründe für ihre Londoner Saison. Sie war das einzige Pfand, das ihrem Onkel geblieben war. Er stellte sie auf dem Heiratsmarkt zur Schau, um ein Angebot zu erhalten, dass die Familie vor dem Armenhaus bewahren würde.
Nicht zum ersten Mal verfluchte Julia ihre außergewöhnliche Schönheit. Seit sie vierzehn Jahre alt geworden war und angefangen hatte, weibliche Formen zu entwickeln, hatte ihr Aussehen für Männer eine Anziehungskraft besessen, die sie nicht verstand. Wenn sie in den Spiegel blickte, sah sie ein gewöhnliches Mädchen mit grünen Augen, die in den Winkeln leicht nach oben zeigten, einem Mund, der als breit gelten konnte, und rotbraunen Locken, die ihre Cousins im Scherz mit der Farbe von Herbstlaub verglichen. Aber im Grange, wo sie wohnten, hatten zahlreiche Leute vorgesprochen, als sie vergangene Weihnachten begonnen hatte, Besucher zu empfangen, und bei den örtlichen Tanzveranstaltungen war ihre Tanzkarte stets voll gewesen. Nach ihrer Vorstellung bei Hofe in London war es genauso gewesen.
Auch wenn es ihr nicht ganz leicht fiel, sich das einzugestehen, so wusste sie doch, dass der Antrag von Oswalt nicht die einzige Gelegenheit darstellte, bei der ihr Onkel versucht hatte, mit ihrem Aussehen seine finanzielle Lage zu verbessern. Bei verschiedenen Anlässen hatte er sie ins Dorf geschickt und sie gebeten, mit den Kaufleuten zu sprechen, denen sie Geld schuldeten, und sie zu bitten, ihnen noch etwas länger Kredit zu gewähren.
Julia begann, im Zimmer auf und ab zu laufen, und ihre Angst machte Zorn Platz. Sie würde nicht zulassen, noch einmal auf so schamlose Weise missbraucht zu werden. Wenn sie wollten, dass sie Oswalt heiratete, würde man sie gefesselt und geknebelt aus dem Haus schleppen müssen. Sie hielt inne. Plötzlich begriff sie, dass es genau dazu kommen würde. Man würde sie buchstäblich zum Altar schleifen, und das wäre nur eine von vielen Entwürdigungen, die sie ertragen müsste.
Ganz plötzlich erkannte sie mit erschreckender Deutlichkeit ihre Möglichkeiten. Wenn sie im Haus ihres Onkels als jungfräuliche Debütantin blieb, würde sie keine Möglichkeit haben, etwas gegen eine Heirat mit Oswalt zu unternehmen. Das war absolut klar. Sie musste selbst einen Weg finden, den Vertrag zu brechen. Das würde ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen, doch die könnte sie ertragen.
Sofort begann sie darüber nachzudenken. Die offensichtlichste Möglichkeit war, davonzulaufen. Wohin sollte sie gehen? Wer könnte ihr helfen? Sie setzte sich auf das Bett und seufzte. Auf keine dieser Fragen hatte
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