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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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sie den Kopf hob, bemerkten die ganz in der Nähe stehenden Galeristen, daß sich von ihrem geraden Scheitel ab über ihr ganzes Gesicht ein feiner schwarzer Strich zog, der sich den Hals hinunter fortsetzte und im tiefen Ausschnitt ihres Kleides verschwand.
    »Klasse«, flüsterte der eine Galerist dem anderen anerkennend zu.
    »Meine Damen und Herren!« begann der offizielle Herr feierlich.
    Es war eine exakte, wortgetreue Übersetzung des Friedhofsgeschwafels, das jenseits des Ozeans dicke Damen in provinziellen schwarzen Kunstfaserkostümen vor nachgebildeten Krematoriumsöfen abzusondern pflegten.
    Der Sarg wurde normalerweise auf dem Katafalk zum Grab gefahren, das war Aufgabe der Leichenträger. Doch das Grab lag in einem so dicht besiedelten Teil des Friedhofs, daß der Sarg nur getragen werden konnte, und auch dabei trat man unweigerlich auf andere Gräber. Etwa dreißig Meter vor dem Ziel brach der Weg plötzlich ab; weiter führte nur noch ein fußbreiter Durchgang. Die Männer gingen nach vorn, bildeten eine Kette bis zum ausgehobenen Grab, und das weiße Schiff schwamm von Hand zu Hand zu seinem letzten Ankerplatz. Fröhlich und gefährlich schaukelte es über den Köpfen. Die kräftige Augustsonne trieb plötzlich einen Windstoß vom Ozean heran. Nina stand auf dem Sockel eines fremden Grabsteins, neben der frischen Grube, deren ausgehobene Erde ordentlich in grellrosa Körben danebenstand; der Wind zerrte den schwarzen Tüll ihres Gewands nach hinten, und ihr kostbares ausgeblichenes Haar blähte sich wie ein Segel.
    Irina stand mitten in der dichten Menge. Von Alik hatte sie schon vor langer Zeit Abschied genommen. Nun kümmerte sie sich um etwas anderes: Sie schuf einen Vater für ihr Kind. Im Grunde hatte sie gar nichts dafür tun müssen, die beiden hatten einander allein gefunden. Sie mußte in dieses Unternehmen nur eine Menge Geld reinstecken, das sie nie zurückbekam. Für dieses Grab hier war auch eine Menge draufgegangen. Aber das Mädchen hatte einen geliebten Vater, und es würde dessen Grab haben. Irina lachte bitter. Ich hab ihm alles verziehen, aber nichts vergessen.
    Ich hab mein Mädchen in einem Armenkrankenhaus zur Welt gebracht, und du hast dich derweil mit Nina vergnügt und vielleicht mit dieser anderen Ische, mit Valentina. Die steht einen halben Schritt hinter ihr, aber doch dicht dabei, die weiß, wo sie hingehört. Was mich interessieren würde: Ist die nun ein raffiniertes Aas oder einfach als Weib gut? Ganz schön boshaft bin ich geworden. Alik, Alik, alles hätte anders sein können. Ging aber nicht. Auch gut!
    In diesem abgelegenen Teil des Friedhofs, dicht an der Einfriedung, strebten die Grabplatten in die Höhe. Um jede horizontale Platte gruppierten sich mehrere verwandte, die wirkten, als stünden sie auf einem Bein. Quadratische, eckige Inschriften, die noch an den Stab Mose und die Gesetzestafeln gemahnten, standen neben englischen mit absurdem gotischen Akzent, die den Geburtsort und den in Stein verewigten Geschmack der vor langer Zeit Verstorbenen preisgaben.
    Der geschlossene Sarg stand auf dem Nachbargrab, und der inzwischen angelangte Robins, der durch seine Anwesenheit den ungewöhnlichen Klienten würdigte, dirigierte: Runterlassen! Valentina sagte etwas zu Nina, die daraufhin ihre runde Tasche aufmachte und das Päckchen mit Erde hervorholte. Sie warf sie in kleinen Prisen ins Grab, wie Salz in eine Suppe, und bewegte die Lippen. Zwei Totengräber standen schon mit Schaufeln bereit.
    »Halt, noch nicht, halt!« rief plötzlich jemand vom Hauptweg.
    Hinter den Wartenden entstand Bewegung, peinliches Gedränge, jemand kämpfte sich mühselig durch die Menge. Schließlich schob sich der feuerrote Ljowa Gottlieb nach vorn. Gefolgt von bärtigen Juden, zehn insgesamt. Die Truppe war ein bißchen spät dran. Sie waren aus ihrem Bus gestiegen und hatten sich verlaufen, weil jeder von ihnen seine eigene Ansicht vertrat, wo sich die Friedhofsverwaltung befand. Nun streiften sie sich im Laufen Gebetsmäntel und Gebetsriemen über, schoben die Männer beiseite, traten den Frauen auf die Füße und begannen schließlich:
    »Gehoben und geheiligt werde Sein Großer Name in der Welt, die Er neu erschaffen wird, und Er wird die Toten auferstehen lassen und wird sie erwecken zu ewigem Leben. . .«
    Sie sangen und wehklagten mit hohen, traurigen Stimmen, aber außer Robins verstand wohl niemand den Sinn ihres archaischen Gesangs.
    »Wo kommen denn diese Altjuden her?«

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